Ecco Le Marche

Wir lieben den Hafen von Ancona und besonders die Gegend etwas außerhalb, wo die Mole Vanvitelliana steht: Hier gibt es Anleger für Segelboote und hier legen die Fischer an, denn gegenüber ist die große Fischauktionshalle. Dabei sind wir schon oft am Omero Museum für Blinde und andere Sehbehinderte vorbeigekommen und haben uns vorgenommen, es zu besuchen. Mit-Bloggerin Isabelle und ihr Mann waren kürzlich dort und können das Museum absolut empfehlen:

Das Museum ist in einem fünfeckigen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, auch Mole Vanvitelliana genannt, untergebracht. Ursprünglich diente der Bau als Lazarett und Quarantänestation für kranke Seeleute und hatte keine Zugänge zum Land. Heute gibt es 3 Brücken, die auf die sehr schön restaurierte Mole führen, in der heute ein Kulturzentrum untergebracht ist. Der Architekt war Vanvitelli, Sohn des niederländischen Malers Van Wittel.

Am Museumseingang bekamen Isabelle und Erik eine Augenbinde, die einer von ihnen anlegte, um das Museum als Blinder zu erfahren, während der andere sehend als Begleitperson mitging und die blinde Person zu den Kunstwerken führte. Isabelle und Erik taten dies abwechselnd: in einem Raum nahm Erik die Augenbinde, im nächsten Isabelle.

Alle Kunstwerke waren dreidimensional, damit sie von Blinden und Sehbehinderten ertastet werden können. Die Aufgabe war zwar nicht einfach, aber lohnenswert: Die beiden haben sozusagen eine Zeitreise durch die Kunstgeschichte gemacht, angefangen bei griechischen und römischen Statuen, wie der Venus von Milo.

Danach gab es Romanik und Gotik, mit einem Modell der Kathedrale von Chartres.

Und schließlich die Renaissance mit Modellen berühmter Gebäude wie dem Petersdom oder dem Schiefen Turm von Pisa.

Mit solchen dreidimensionalen Modellen können sich Blinde besser vorstellen, wie die Gebäude und Statuen aussehen. Einige Statuen waren so hoch, dass man auf eine Leiter klettern musste, wenn man alles erfühlen wollte. Überall gab es Erklärungen, natürlich auch in Brailleschrift.

Am beeindruckendsten war für Isabelle eine Kopie des genialen Picasso-Gemäldes „Guernica“, das die Schrecken des Zweiten Weltkrieges so eindrucksvoll ausdrückt. Das zweidimensionale, originale Bild Picassos hat ja schon etwas Plastisches dadurch, dass die Inhalte in kubistischer Manier aus mehreren Perspektiven und Ansichten dargestellt werden. Da finde ich es geradezu ideal, dieses Bild nochmal als Relief umzusetzen, damit es auch für Blinde erfassbar ist.

Im obersten Stock gelangten Isabelle und Erik schließlich zur modernen Kunst und in dem Falle waren es keine Kopien, sondern Originalwerke zum Anfassen.

Hinter dem Projekt steht das blinde Ehepaar Aldo Grassini und Daniela Bottegon. Die beiden lieben es, zu reisen. Aber es ärgerte sie schon lange, dass man in herkömmlichen Museen nichts anfassen darf. Das ist für sie als würde man sehenden Menschen verbieten, zu gucken. So entstand die Idee eines taktilen Museums. Das Omero-Museum, nach Homer, dem bekannten griechischen blinden Dichter benannt, wurde im Mai 1993 von der Gemeinde Ancona und unter Beteiligung der Region Marken gegründet und von der italienischen Union der Blinden und Sehbehinderten unterstützt. 1999 wurde es vom italienischen Parlament einstimmig als staatliches Museum anerkannt und damit sein einzigartiger Wert bestätigt.

2012 ist das Museum schließlich von seinem ursprünglichen Sitz in der Via Tiziano in die heutigen Räume der Mole Vanvitelliana umgezogen und kann dort kostenlos besichtigt werden.

Es ist ein großartiges Museum, nicht nur für Blinde und Sehbehinderte und es ist ganz besonders reizvoll für Kinder, denn denen wird hier ausnahmesweise kein „nicht anfassen!!!“ zugerufen.


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