Ecco Le Marche

Das staunenswerte Oratorium di San Giovanni Battista in Urbino ist inzwischen für Publikum geöffnet. Eine gute Entscheidung für dieses Schmuckstück gothischer Freskenkunst.

Das war nicht immer so; früher konnte man das Oratorium nur an den Giornate FAI, den italienischen Tagen des offenen Denkmals, besichtigen, so wie Isabelle dies vor einigen Jahren gemacht hatte.

Das Oratorium stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde ursprünglich von Laienbruderschaften betrieben. Es war der Hilfe für und Heilung von Kranken, Armen und Menschen mit psychischen Störungen gewidmet.

Im Farbenrausch

Schon beim Eintreten ist die Wirkung überwältigend: Welch ein Farbenrausch! Worauf sollen wir zuerst achten?

Zum Glück haben wir die Giornate FAI, die Tage des offenen Denkmals, und so hilft ein Fremdenführer und schlägt vor, die Augen zunächst für 3 Sekunden zu schließen und dann wieder zu öffnen. So können wir uns besser in die mittelalterlichen Menschen hineinzuversetzen: Durch das Schließen der Augen erweitern sich unsere Pupillen, und beim Öffnen nehmen wir daher die leuchtenden Farben der Fresken viel besser war. Ähnlich muss es die Leute im Mittelalter beeindruckt haben, die im dunklen, nur von Öllampen und Kerzen erleuchteten Oratorium diese Pracht erblickten.

Wer hat diese Meisterwerke erschaffen? Es handelt sich um die beiden Gebrüder Salimbeni aus San Severino Marche. Sie müssen ungemein talentiert gewesen sein und waren vermutlich die besten Vertreter der Gothik in Italien – wenn auch nicht sehr bekannt.

Die Fresken mit den Madonnen sind dabei die ältesten, gemalt zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Eine stellt die bescheidene Madonna dar und die andere die thronende, erhabene. Diese Mariendarstellungen dienten wohl als Probeauftrag. Die Laienbrüder waren so begeistert, dass die Salimbeni-Brüder auch den Rest des Oratoriums dekorieren durften.

Während die zwei Madonnen noch recht bewegungslos zu posieren scheinen, erleben wir die Kreuzigung Jesu sozusagen live mit: Eine Mutter kann gerade noch verhindern, dass ihr Kind von den Pferden der Soldaten zertrampelt wird. Johannes und Maria Magdalena schreien vor Entsetzen über die Kreuzigung. Eine immens lebendige Szene in kräftigen Farben.

Die rechte Wand erzählt die Geschichte von Johannes dem Täufer von seiner Geburt bis zu seiner Enthauptung. Auch hier bestechen die Details, aber auch die Naturdarstellungen.

Im Mittelalter, einer Zeit, in der die einfachen Leute nicht lesen konnten, waren die Fresken ein wichtiges Mittel, um den Menschen biblische Episoden zu vermitteln. Um die Darstellungen noch interessanter zu machen, malten Lorenzo und Jacopo Salimbeni Fische in den Jordan hinein und versteckten kleine Vögel in den Büschen.

Mithilfe verschiedener Materialien und der Wirkung des einfallenden Lichtes versuchten sie, Perspektive zu erzeugen.

Die Brüder Salimbeni mögen international nicht sehr bekannt gewesen sein, aber sie hatten zweifellos großes Talent.

Tipps:

Die Giornate FAI, die Tage des offenen Denkmals, gibt es als Nächstes wieder zum Frühlingsanfang. Dann kann man sonst nicht zugängliche Orte besichtigen und besondere Führungen miterleben. Ich bin für dieses Jahr sogar FAI Mitglied geworden. Damit kann ich über das Jahr einige spezielle Orte besuchen und erhalte bei etlichen Museen verbilligte Tickets. Ich werde davon berichten! Die einfache Jahresmitgliedschaft kostet 39 EUR und die für ein Paar kostet 60 EUR.

Das Oratorium ist inzwischen aber auch für Nicht-Mitglieder geöffnet: täglich von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr. Ich empfehle aber, die Öffnungszeiten in der Nebensaison nochmal zu prüfen.


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert