Die ganze Adria in einer Suppe! Was ein traditionelles arme-Leute Gericht der Adriafischer war, ist heute eines der Highlights auf den Speisekarten der Strandorte entlang der Adria. Und sogar das mit 3 Michelinsternen gekürte Ristorante Uliassi in Senigallia wartet mit einer Brodetto-Interpretation auf!
Die Ursprünge sind diffus und – so scheint es – so alt wie die Fischerei an der Adria selbst: einst wurde der Brodetto von Fischern direkt auf dem Boot und unter Verwendung des „Beifanges“, der Fische, die sich wegen ihrer Größe und Qualität schlecht verkaufen ließen, zubereitet. Heute hat jeder Ort seine eigene Version des Brodetto. Die Region Marken reklamiert – neben der Emilia Romagna – die Herkunft des Gerichtes für sich; aber man findet es überall entlang der Adria sowohl in Italien als auch in Kroatien.
In Ancona ist diese Fischsuppe sehr dickflüssig und basiert auf frischen Tomaten. In Civitanova kommen sehr viele unterschiedliche Fische und Scampi hinein und neben geröstetem Brot wird dort auch schon einmal Polenta dazu gereicht. In San Benedetto del Tronto nehmen sie grüne Tomaten und Peperoncini für die Sauce und in Fano nimmt man zwar Tomatenpüree statt frischer Tomaten, dafür kommen aber vor allem edle Fische und Krustentiere hinein. In Porto Recanati werden gar keine Tomaten genommen, sondern eine Fischbrühe, die mit wildem Safran vom nahe gelegenen Naturschutzgebiet Monte Conero verfeinert wird. Hier bekamen wir anlässlich eines Foto-Walks eine Vorführung der Zubereitung durch einen Chef eines der gehobenen Hotels am Platze:
Generell wird der Brodetto in einer Pfanne mit hohem Rand langsam gekocht und dann in der Pfanne zusammen mit geröstetem Brot serviert. Pro Person werden circa 500 Gramm verschiedene, lokale Fisch- und Schalentiere verwendet.
Als Fisch-Fan hatte ich ihn schon lange auf meiner Wunschliste, aber irgendwie hatte es nie geklappt: Brodetto wird nicht in allen Restaurants angeboten und man muss mindestens einen Tag vorher vorbestellen.
Schließlich waren wir soweit, hatten uns ein schönes Restaurant in Porto Recanati mit besten Bewertungen herausgesucht und ich rief zwecks Reservierung an: Ja, generell würden sie uns gerne einen Brodetto servieren, aber im Moment werde nicht gefischt. Tatsächlich pausiert der Fischfang an der Adria von August bis Mitte/Ende September, um dem Meer und ihren Bewohnern zur Regeneration zu verhelfen. Es nennt sich „Fermo Pesca“ und ist gesetzlich vorgegeben.
Im November wurden unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt: Im traditionsreichen Fischrestaurant „Sott’aj Archi“ (Unter den Arkaden) in Ancona, jüngst vom renommierten Guide Michelin empfohlen, konnte ich den Brodetto vorbestellen. Beim Anruf am Tag vorher wurde mir noch gesagt, sie hätten die Zutaten bestellt, aber sie müssten sehen, ob sie alles bekommen. Aber als wir ankamen, war alles geregelt.
Warum ist die Beschaffung der Fische so schwierig? Es werden viele verschiedene Fische benötigt. Der traditionelle Brodetto all’Anconetana benötigt 13 verschiedene Fisch- und Krustentiere! Die Fische müssen frisch sein und in relativ kleinen Größen, denn sonst würde man die Suppe ja kaum bewältigen können.
Als unser Brodetto aufgetischt wurde, meine ich, 7 verschiedene Zutaten erkannt zu haben: Die kleinen Adria-Venusmuscheln, Tintenfisch, Rochen, Nasello (Adria-Hechtdorsch), Tracine (Petermännchen) und ein Stück Palombo (kleiner Glatthai), aber es waren noch ein paar andere Fische drin und eventuell auch mehrere Tintenfischsorten. Und natürlich Canocchie (Heuschreckenkrebse), die an der Adria so beliebt sind, dass sie einen eigenen Artikel wert wären. Ich war bis dato nicht so begeistert von dieser komischen, platten Scampi-Art, aber hier im Brodetto war sie lecker und am Nebentisch bestellten sich einige tellerweise Canocchie.
Tipps:
- Da nicht alle Lokale Brodetto anbieten, solltet Ihr erstmal herausfinden, wo es angeboten wird. Ich habe in Google nach den Stichworten Ristorante und Brodetto gesucht.
- Unbedingt vorbestellen, meist braucht es auch ein Minimum an 2 Personen!
- Brodetto ist mit 30-35 EUR pro Person vergleichsweise teuer, aber gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass dort viel frischer Fisch drin ist und die Zubereitung sehr aufwendig und lange ist.
- Von August bis in den September hinein gibt es oft kein Brodetto, weil dann in Küstennähe kein frischer Fisch gefangen wird.
- In Fano gibt es Mitte September ein Brodetto-Fest, bei dem bis zu 30 Restaurants Brodetto auf die Karte nehmen. 2022 wurden dabei mehr als 10000 Portionen Brodetto serviert!
- Porto Recanati feiert im Juni ihre Brodetto-Woche, ebenfalls mit vielen teilnehmenden Restaurants.
- Wer nicht vorbestellen will, für den gibt es mancherorts eine einfachere Variante, die Padellaccia di Pesce oder Padellaccia di Mare, also eine Fischpfanne. Im Oasi in Civitanova Marche habe ich sie etwa schon bekommen, als Vorspeise oder auch mit Pasta. Darin hauptsächlich Meeresfrüchte und kein Fisch und schneller zubereitet, was den günstigeren Preis erklärt.
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