Isabelle hat kürzlich das Ipogeo von Piagge besichtigt. Es stand schon lange auf ihrer Liste. Hier könnt Ihr ihren Bericht über diesen spannenden, unterirdischen Höhlenbau lesen:
Piagge und Terre Roveresche
Piagge fusionierte 2017 mit den Gemeinden Orciano di Pesaro, Barchi und San Giorgio di Pesaro zur neuen Gemeinde Terre Roveresche. Der neue Name bezog sich auf die einst mächtige Familie Della Rovere, die das Gebiet im 16. und 17. Jahrhundert beherrschte.
Wie viele märkische Dörfer, die wir auf Hügeln finden, entstand auch diese Siedlung durch die fliehenden Bewohner eines ursprünglichen römischen Municipium Lubacaria, das von den Goten zerstört wurde. Ursprünglich hieß der Ort Pladearum nach dem lateinischen Platea, weil es auf diesem 200 Meter hohen Hügel eine schöne Ebene gab. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Name in Piagge umgewandelt.
In der Folge erlebte das Dorf mehrere Herrscherwechsel, von den Malatesta über die Medici bis zu della Rovere und wurde ab 1631 Teil des Kirchenstaates.
Die Kirche Santa Lucia in Piagge
Wir parkten mitten im Dorf gegenüber der Kirche Santa Lucia von 1882. Erfreulicherweise war sie geöffnet.
Sie beherbergt ein bemerkenswertes Abendmahl-Gemälde von Guerrieri aus dem Jahre 1630. Die Kanzel gab es auch noch. Aber die Überraschung war die Lourdes-Grotte von 1936!
Spaziergang durch Piagge
Wir machten einen Spaziergang durch das Dorf und stellten fest, dass es innerhalb der alten Stadtmauern so gar keine originalen historischen Häuser mehr gab. Später erfuhren wir, dass dieser älteste Teil früher lediglich als Wache diente, daher gab es nur einige Mauern und einen Wachturm aus dem 18. Jahrhundert. Auf der Piazza war eine Blume abgebildet, eines der geheimnisvollen Symbole, die wir später wieder im Ipogeo erspähen sollten.
Selbstverständlich hatten wir auch wieder einen schönen Ausblick!
Der Eingang zum Ipogeo befindet sich auf der rechten Seite, kurz vor dem Stadttor.
Das Ipogeo
Hier empfing uns eine freundliche Frau und bat uns, eine Weile zu warten, bis der Fremdenführer von seiner ersten Tour zurückkam. Aufgrund des begrenzten Platzes wurden nämlich nur kleine Gruppen eingelassen. Der Eintritt kostete 4 €, aber das Ticket war gleichzeitig für die beiden anderen Museen in den anderen Gemeinden von Terre Roveresche gültig: das Musa oder Geschichtsmuseum der Region in San Giorgio di Pesaro und das Schnur- und Ziegelmuseum in Orciano di Pesaro. Ein Glücksfall!
Wir waren schnell an der Reihe und stiegen mit einer siebenköpfigen Gruppe über eine in Sandstein gehauene Treppe hinunter. Das war gar nicht so einfach, denn wir durften die Wände nicht berühren und die Stufen erwiesen sich obendrein als uneben.
Steiler Abstieg über schiefe Stufen
Der Führer erzählte uns, dass wir uns in einer Tiefe von 7 Metern befanden, in der eine konstante Temperatur von 15-16 Grad herrschte. Wahrscheinlich wurde das Ipogeo in der Zeit zwischen 1000 und 1200 nach Christus in Sandstein gegraben. Er wies uns darauf hin, dass ein solches Gestein in den Marken Tufo genannt wird. Das fanden wir merkwürdig, denn Tufo oder Tuff hat eigentlich einen vulkanischen Ursprung, aber dieser Sandstein absolut nicht!
An den Wänden konnten wir die verschiedenen Sandsteinschichten sehen, die sich mit Tonschichten abwechselten.
Der Keller wurde in der Form eines griechischen Kreuzes gegraben, daher der Verdacht auf eine ursprüngliche spirituelle/religiöse Funktion dieses Ipogeo. Es wird angenommen, dass hier Gruppen von Menschen heimlich ihre religiösen Rituale durchführten, die nicht dem katholischen Glauben entsprachen. Das Blumenmotiv mit sechs Blütenblättern scheint zudem ein heidnisches Symbol zu sein.
Aber die fünfblättrige Blume und insbesondere die Lilie finden wir auch im frühchristlichen Glauben, wo sie Reinheit symbolisiert: Auch Maria wird oft mit Lilien abgebildet.
In den verschiedenen Nischen wurden entweder Öllampen oder Kerzen aufgestellt.
Der Sandstein macht den Raum sehr empfindlich, vorwiegend was die Symbole betrifft: Denn schon wenige Berührungen reichen aus, um die Zeichnungen zu zerstören. Auch unser Atem und unsere Körpertemperatur könnten sich negativ auf die ideale Umgebung auswirken, weshalb das Ipogeo lediglich an zwei Nachmittagen pro Woche geöffnet ist und nur kleine Gruppen zugelassen sind. Der letzte Bewohner des Gebäudes oberhalb war übrigens ein Metzger, der das Ipogeo als Lagerraum nutzte. Erst im Jahr 1996 entdeckte man die historische Bedeutung dieses unterirdischen Ortes. Aber es sollte noch weitere 20 Jahre dauern, bis er für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Und immer noch bietet er reichlich Material für Forscher.
Wir kletterten zurück zum Ausgang und waren sehr zufrieden mit diesem mysteriösen Besuch!
Praktische Tipps:
Auf dieser Website findet Ihr alle Informationen über das Ipogeo: Öffnungszeiten, Eintrittspreise und mehr.
In vielen Orten in den Marken hatten die Häuser unterirdische Keller, die oft miteinander verbunden waren. Die Menschen nutzten sie als Kühl- und Lebensmittellager, als Verstecke während Kriegen oder als religiöse Orte. Wenn Ihr ein schönes unterirdisches Gangsystem besichtigen möchtet, könnt Ihr dies in Camerano tun:
Oder möchtet Ihr den typischen Formaggio di Grotta probieren, der in einem solchen Keller reift? Dafür könnt Ihr nach Mondavio zu Claudia Ridolfo fahren. Darüber schreiben wir Euch in Kürze …
Unsere Reise in die Terre Roveresche hat uns auch an andere überraschende Orte geführt, aber auch das ist ein Thema für einen anderen Artikel!
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