Apiro, einer unserer Nachbarorte, ist bekannt durch sein internationales Folklorefestival Terranostra, bei dem Gruppen aus der ganzen Welt teilnehmen. Das Fest geht dieses Jahr im August schon in die 51. Runde.
Kostenlose touristische Führungen durch Apiro
Aus diesem Grunde hat sich der lokale Verein Proloco Apiro überlegt, in Zusammenarbeit mit den Schülern des Ortes kostenlose Führungen anzubieten. Die kommen nicht nur den Festivalteilnehmern aus aller Welt zugute, sondern jede Person kann teilnehmen!
Ich fand es eine tolle Idee, denn dadurch wird der Ort und seine Sehenswürdigkeiten bekannter und gleichzeitig lernen die Schülerinnen und Schüler etwas über ihre Heimat und den Beruf der Touristenführerin oder des Touristenführers.
Also bin ich letztes Jahr hingefahren: Als ich überpünktlich um 9:30 Uhr am Proloco in Apiro auf der Piazza Baldini ankomme, frage ich, ob ich die Führung auch auf Englisch bekommen könne. Das ginge, allerdings müsse ich ein paar Minuten warten. Das gibt mir die Gelegenheit, erstmal einen Cappuccino auf der Piazza zu trinken und das Material für die Folklore-Tage zu sichten.
Kurz darauf füllen sich die Räume des Proloco mit Schülern verschiedener Altersklassen, die als Touristenführer bereitstehen. Mir werden mit Elisa und ihrer Klassenkameradin direkt zwei Guides zur Seite gestellt. Damit alles seine Ordnung hat, haben die beiden natürlich eine offizielle Zulassung als Touristguide erworben!
Enrico Mestica und das erste italienische Wörterbuch
Als Erstes gehen wir am ehemaligen Haus von Enrico Mestica vorbei. In seinem Todesjahr, 1936, hat Mestica hier das erste italienische Wörterbuch vollendet. Das war noch voller faschistischer und nationalistischer Anklänge, wurde aber von Mesticas Sohn nach dem Krieg eilends überarbeitet und wurde dann recht erfolgreich bis in die 70er Jahre hinein im italienischen Schulunterricht benutzt.
Ebenfalls an der Piazza Baldini das Mahnmal für die Gefallenen der Kriege. Ein müder und desillusionierter Soldat ziert das im Jahre 1923 errichtete Denkmal, das später um die Namen der Gefallenen des 2. Weltkrieges erweitert wurde.
Collegiata di Sant’Urbano, der Arzt Giangiacomo Baldini und der Papst
Wir bleiben auf der Piazza und schauen uns die Fassade der Stiftskirche Collegiata di Sant’Urbano an, die dem Schutzpatron von Apiro, dem hl. Urban, gewidmet ist. Zurzeit ist sie wegen Erdbebenschäden geschlossen, aber am Portal hängen Bilder des reichen Inneren.
An der Stelle, wo heute die Kirche steht, befand sich im 15. Jahrhundert ein Oratorium. Als Papst Urban VIII um 1630 vom apirischen Arzt Giangiacomo Baldini von schwerer Krankheit geheilt wurde, überreichte der Papst diesem ein großes Vermögen. Welches Baldini nach seinem Tod wiederum der Stadt Apiro vermachte. Damit konnte die Pfarrkirche prächtigst aus- und aufgebaut werden.
Im Altarraum und der Sakristei befinden sich daher wertvolle Gemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Das Kircheninnere ist mit karmesinrotem Damast ausgekleidet, der zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert fertiggestellt wurde und etwa ein Sechstel der Baukosten der Kirche ausmachte. Es gibt drinnen zudem ein anonymes, goldverziertes Gemälde, das Papst Urban bei der Betrachtung Mariens zeigt, die in den Himmel aufsteigt; im Hintergrund der Monte San Vicino.
Noch bemerkenswerter ist die Glocke: Sie wurde 1885 in Venezien gegossen und wiegt 1885 Kilogramm. Der Transport nach Apiro wurde in Cesena in der Emilia Romagna angehalten, damit die Öffentlichkeit dort die Glocke bewundern konnte. Man sagt, dass der marchigianische Pilgerort Loreto vergebens sehr viel Gold geboten habe, um die Glocke für ihre Basilika zu erstehen!
Chiesa di San Francesco und andere Gebäude in Apiro
Wir gehen den Corso Vittorio Emanuele entlang und kommen an der Chiesa di San Francesco vorbei, der ältesten Kirche von Apiro. Sie wurde vor dem 12. Jahrhundert erbaut und im 18. Jahrhundert innen barock gestaltet. Auch diese Kirche ist geschlossen, sodass wir nur das romanisch-byzantinische Portal aus dem 13. Jahrhundert bestaunen dürfen.
Gegenüber befindet sich die ehemalige Grundschule, die nun zu einem Altersheim umgebaut wird. Im Hof ist die Büste von Enrico Mestica zu sehen. Und auf der anderen Straßenseite die Villa Morelli, in die in Zukunft ein Hotel mit Spa einzieht, erzählen mir meine Touristenführerinnen begeistert: „Es tue sich was in Apiro“. Ein Stückchen weiter das Geburtshaus von Giangiacomo Baldini, dem Leibarzt von Papst Urban VIII.
Das Teatro Mestica und der Baum mit den drei Spitzen
Wir kommen zu einem weiteren Highlight des Ortes: dem Teatro Giovanni Mestica, benannt nach dem Ziehvater von Enrico Mestica. Mit meinen Führerinnen darf ich hineingehen und ein paar Fotos machen. Wir haben schon früher über die 101 tollen Theatern der Region Marken geschrieben.
Ein paar Schritte weiter kommen wir zur Chiesa San Michele Arcangelo (des hl. Erzengels Michael). Auch diese betreten wir nicht. Die Schülerinnen weisen mich aber auf den Baum auf dem Vorplatz der Kirche hin, der 3 Spitzen besitzt.
Ein Baum soll übrigens auch dem Ort zu seinem Namen verholfen haben, denn Apiro komme von „ad pirum“ (etwa: beim Pirum). Das lateinische Pirum bedeutet Birne, sodass wohl ein Birnbaum den Leuten damals als geografischer Referenzpunkt diente.
Wir spazieren noch ein wenig durch den Ort und ich bekomme stolz die Aussicht auf die sibillininischen Berge, den Monte San Vicino und Arcevia gezeigt, die man von hier genießen kann.
Chiesa della Madonna della Misericordia
Außerhalb der Stadtmauer befindet sich die einzige Kirche, die geöffnet ist: die Chiesa della Madonna della Misericordia (Kirche unserer Lieben Frau der Barmherzigkeit) aus dem 14. Jahrhundert. Das Besondere dieser Kirche ist, dass sie um eine mit Freskos bemalte Wand des Künstlers Ottaviani Nelli di Martino da Gubbio (1375-1444) gebaut wurde. Die Kirche war Bezugspunkt für die Einwohner und die Madonna der Barmherzigkeit wurde gerne vor weiten Reisen oder für wichtige Entscheidungen konsultiert.
Der Circolino von Apiro
Der Rückweg führt uns entlang der Stadtmauer, durch ein schmales, pittoreskes Gässchen bis zum höchsten Punkt von Apiro, einem eckigen Turm, der aber Circolino (kleiner Kreis) genannt wird, weil er vom Circolo Cittadino (dem lokalen Bürgerverein) bewirtschaftet wird.
Hier endet unser Rundgang und ich folge den beiden Ragazze (Mädels) wieder zum Ausgangspunkt. Die Tour war kostenlos und es wird auch kein Trinkgeld erwartet. Ich kaufe aber einen Kühlschrankmagneten mit dem Panorama Apiros und lasse doch einen kleinen Obolus da, denn die Tour hat mir sehr gut gefallen.
Tipps:
Die Führungen gab es letztes Jahr nur an fünf Tagen. Für dieses Jahr sollen sie aber bis zum 25. August jeden Morgen stattfinden. Sie startet jeweils von 10:00 bis 12:00 Uhr vor dem Proloco Apiro auf der Piazza Baldini. Für Fragen oder Termine außerhalb dieser Zeiten solle man sich an die Tel. Nummer +39 333 1215 710 wenden.
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