Ecco Le Marche

Eine große ägyptische Ausstellung in Force, einer Gemeinde mit kaum 1100 Einwohnern im Süden der Marken? Das hat natürlich unsere Neugier geweckt!

Und so sind Isabelle und ich kürzlich ins kleine Force gefahren. Genügend Parkmöglichkeiten, keine ausländischen Autokennzeichen (mitten im Sommer!) und neugierige Blicke der Einwohner, als wir als Ortsfremde dort ankommen. Ein authentischer, wenig touristischer Ort der Marken.

ERNESTO VERRUCCI BEY AUS FORCE.

Force wollte nämlich den 150. Geburtstag ihres berühmten Einwohners Ernesto Verrucci Bey (1874-1945) feiern, der 1897 nach Ägypten ging, um als Architekt zu arbeiten. Er wurde innerhalb kürzester Zeit dort Chefberater und Hofarchitekt des ägyptischen Königs Fuad I.


Im Jahr 1919 erhielt er dort sogar den bedeutenden Ehrentitel Bey, den er fortan an seinen Nachnamen anhing.

Während Verruccis Aufenthalt in Ägypten fanden dort zeitgleich zahlreiche wichtige Ausgrabungen statt, die die Welt nachhaltig beeindruckten, darunter die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun. Um der Verbindung zwischen ihrem berühmten Sohn der Stadt und Ägypten zu gedenken, beschloss die Gemeinde Force, 2 Ausstellungen zu organisieren:

  • Sogni e Tesori in riva al Nilo (Träume und Schätze an den Ufern des Nils)
  • Ernesto Verrucci Bey, un architetto eclettico tra Italia e Egitto. (Ein eklektischer Architekt zwischen Italien und Ägypten). Über diese Ausstellung werden wir in einem separaten Blog-Artikel berichten.

Isabelle und ich haben uns dort umgesehen:

DAS AUSSTELLUNGSGEBÄUDE IN FORCE.

Wir fuhren an einem Wochentag dorthin, sodass wir problemlos direkt gegenüber dem Ausstellungsgebäude parken konnten, das früher eine Schule, dann ein Altersheim und jetzt zum ersten Mal ein Kulturgebäude ist.

Von außen empfingen uns mehrere ägyptische Statuen, aber auch die Kopie des berühmten Steins von Rosette. Dank dieses Steins, der 1799 von napoleonischen Truppen in Ägypten entdeckt wurde, entschlüsselte der Franzose Champollion 23 Jahre später die Hieroglyphenschrift.

ÄGYPTISCHE VORGESCHICHTE.

Im Erdgeschoss erhielten wir anhand mehrerer Tafeln einen Überblick über die gesamte Philosophie der Ausstellung. Die Geschichte Ägyptens beginnt lange vor den Pharaonen, denn auch dieses Land hatte eine prähistorische Ära; das Gebiet entlang des wichtigen Nils war schon sehr früh bewohnt (die ersten Bevölkerungsgruppen gab es um 90.000 v. Chr. und um 6000 v. Chr. die ersten Bauerndörfer!).

Die vielen Tafeln mit sehr, sehr viel Text haben uns indes nicht entmutigt; ich gebe auch gerne zu, dass wir etliche davon nicht oder nur grob gelesen haben. In den weiteren Räumen wurden wir dafür mit einer beeindruckenden Ausstellung belohnt.

Fast alle ausgestellten Objekte sind Kopien! Die ägyptische Regierung hat den Transport ihrer wertvollen archäologischen Objekte seit Jahren verboten und es gäbe wahrscheinlich nur wenige Versicherungsgesellschaften, die die Originalschätze versichern könnten.

Um jedoch auch Nicht-Ägyptern die Möglichkeit zu geben, die reiche Vergangenheit ihres Landes kennenzulernen, ohne direkt nach Ägypten reisen zu müssen, haben ägyptische Handwerker und Künstler begonnen, Kopien anzufertigen. Für diese Ausstellung war es zum Beispiel die Firma Horus. Die Artefakte werden so genau kopiert, dass sie selbst schon einen gewissen Wert darstellen und teuer versichert werden müssen.

Force hatte glücklicherweise zahlreiche Sponsoren, die es ihnen ermöglichten, diese Ausstellung zu organisieren. Und zumindest wir Laien hätten die meisten der Kopien für echt gehalten.

DIE ÄGYPTISCHE PHARAONENZEIT.

Am bekanntesten wurde natürlich die Pharaonenzeit, in der nicht weniger als 30 Dynastien mit einem Pharao als Herrscher regierten, die erste davon bereits um 3100 v. Chr.


Isabelle und ich dachten: Das war 2500 Jahre vor der römischen Hochkultur in Europa. Sehr beeindruckend!


Um 2600 v. Chr. wurden die Pharaonen unter Pyramiden begraben. Die Menschen glaubten an ein Leben nach dem Tod, deshalb wurde der Körper mumifiziert. Außerdem gaben sie den Toten Nahrung und alle möglichen Gegenstände, wie Wagen, Betten, Schmuck, mit ins Grab, damit er/sie sein/ihr Leben im Jenseits fortsetzen konnte.

Es regierten auch einige weibliche Pharaonen wie Nofretete, Hatschepsut und natürlich die berühmteste von allen: Kleopatra VII (ja, auch wir waren erstaunt, dass es scheinbar schon 6 Kleopatras vor der berühmten, letzten Pharaonin gab).

Tutanchamun.


Der beeindruckendste Raum enthielt die prächtigen Gegenstände aus dem Grab des Tutanchamun (er regierte von 1333 bis 1323 v. Chr.). Er regierte zwar nur kurze Zeit, aber da sein Grab bei der Ausgrabung noch fast vollständig intakt und voll mit Goldgegenständen und anderen Kostbarkeiten war, regt dieser Pharao auch heute noch immer unsere Fantasien an.

Wir haben uns die Augen gerieben und konnten uns gut vorstellen, wie der englische Autodidakt Howard Carter reagiert haben muss, als er im November 1922 die Ziegelmauer des Grabes durchbrach und zum ersten Mal all diese Goldgegenstände entdeckte.

Es stellte sich heraus, dass nur der kleine Raum, in dem Tutanchamons Leiche lag, bemalte Wände hatte; die anderen Räume der Grabanlage waren kahl. Die Gräber der Pharaonen wurden üblicherweise zu deren Lebzeiten errichtet und ausgestattet. Da Tutanchamon jedoch unerwartet im Alter von circa 18 bis 20 Jahren starb, wurde sein Grab nie fertiggestellt. In einer Art goldener Kiste entdeckte man einen reich verzierten Sarkophag, in dem sich verschachtelt noch 2 weitere Sarkophage befanden. Schließlich fand man den mumifizierten Körper des jungen Pharaos mit der berühmten Totenmaske.

Sehr spannend war die VR-Brille, die es im Raum gab: wenn man sie aufsetzte, schlüpfte man in die Haut von Howard Carter und erlebte, wie er die Ziegelmauern der Grabkammer durchbrach und entdeckte schließlich mit ihm den prächtigen Schatz des Tutanchamon!

HOWARD CARTER.

Howards Carter-Utensilien, die er seinerzeit für seine Ausgrabungen dabei hatte, wurden in einem separaten Raum ausgestellt.

DIE FREMDHERRSCHAFTEN.

Im Jahr 323 v. Chr. endete die Herrschaft der ägyptischen Pharaonen, denn der erste ausländische Herrscher übernahm deren Land: der berühmte Alexander der Große, der die Stadt Alexandria gründete. Danach herrschten dort die Römer. Wer kennt nicht die Geschichte von Kleopatra und Cäsar und Kleopatra und Mark Antonius? Aber da sind wir inzwischen schon in der Zeit von 30 v. Chr. gelandet.

Die römische Herrschaft in Ägypten dauerte bis zum Jahr 395 nach Christus, dann begann die römisch-byzantinische Zeit.


Um 640 n. Chr. eroberten die muslimischen Araber Ägypten. Im Jahr 1571 fielen die osmanischen Türken in das Land ein, gefolgt von Napoleon im Jahr 1798. Unter dessen Herrschaft wurden Ausgrabungen nicht zu historischen Zwecken durchgeführt, sondern um so viele Schätze wie möglich zu rauben und nach Frankreich zu bringen. In den Jahren 1882-1952 kamen die Briten an die Macht. Die zahlreichen Entdeckungen der sagenhaften Schätze Ägyptens lösten in der westlichen Welt eine regelrechte Ägyptomanie aus.

Die Unabhängigkeit.

Es folgten turbulente Jahre, die wir hier nur sehr verkürzt darstellen können: 1922 erhält Ägypten die formale Unabhängigkeit vom britischen Protektorat unter König Fuad. Das ist der König, für den unser Architekt aus Force, Verrucci, arbeitete. Allerdings behielten sich die Briten noch lange Jahre einige Sonderrechte vor. Nach einigen Turbulenzen im Lande setzte Fuad 1930 eine Diktatur ein. Die Briten sollten erst 1946 das Land endgültig verlassen. Unter der Führung von Gamal Abdel Nasser wurde 1952 der amtierende ägyptische König Farukh (Sohn Fuads) gestürzt. 1956 wurde Nasser zum Präsidenten Ägyptens gewählt.

TIPPS:

Wir fanden die Ausstellung wirklich sehenswert, besonders für eine kleine Stadt wie Force! Sehr empfehlenswert!

Die Ausstellung umfasst 40 Räume mit insgesamt 500 Objekten. Leider sind die Begleittexte und Erläuterungstafeln nur auf Italienisch. Eine verpasste Gelegenheit, wie wir finden.

  • Die Ausstellung ist noch bis zum 29. September in Force zu sehen, danach wandert sie nach Venedig.
  • Die Öffnungszeiten sind:
    Montags geschlossen
    Dienstags bis freitags von 10:30 Uhr bis 18:30 Uhr.
    Samstags 10-22 Uhr
    Sonntags 10:30-18:30 Uhr
    • Der letzte Einlass ist 45 Minuten vor Schließung.
  • Führungen gibt es freitags, samstags und sonntags. Eine Reservierung via WhatsApp ist aber obligatorisch: 0039/𝟑𝟓𝟏𝟔𝟔𝟏𝟖𝟕𝟎𝟗. Die Führung kostet 2 EUR zusätzlich.
  • Eintrittspreis für die Ausstellung ist 14 EUR, für 6- bis 12-Jährige 8 EUR und 12 EUR für Einwohner, Senioren über 65, Studenten, Lehrer, Militär und Inhaber:innen des FAI-Ausweises.

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