Nachdem wir die Ägypten-Ausstellung in Force in der Provinz Ascoli Piceno besucht hatten, gingen wir weiter zum historischen Zentrum dieser kleinen Gemeinde. Dort befand sich eine zweite Ausstellung mit dem Titel: „Ernesto Verrucci Bey, un architetto eclettico tra Italia e Egitto“ (Ein eklektischer Architekt zwischen Italien und Ägypten). Hier erfuhren wir etwas über diesen berühmten Sohn des Ortes, der 40 Jahre lang in Ägypten gelebt hat, aber im marchigianischen Force geboren und gestorben ist.
Auf dem Weg zum Eingangstor des historischen Zentrums genossen wir zunächst die weite Aussicht:
Force und das Villino Verrucci
Force liegt etwa 25 km nördlich von Ascoli Piceno auf einer Höhe von 689 Metern. Die Stadt wurde 2016 von einem Erdbeben heimgesucht, sodass viele Gebäude noch wegen Restaurierung geschlossen sind. Das erste Gebäude, das uns ins Auge fiel, bevor wir das historische Zentrum betraten, war das Villino Verrucci im Liberty-Stil (der italienischen Variante des Jugendstils). Entworfen wurde es natürlich von unserem berühmten Architekten Ernesto Verrucci.
Wie wir später in der Ausstellung herausfanden, war diese Villa eine Mini-Version des von ihm entworfenen Königspalastes in Alexandria!
Spaziergang durch Force
Wir stiegen also durch das Stadttor hinauf ins Zentrum, wo wir, wie bereits erwähnt, viele verlassene oder geschlossene Gebäude vorfanden.
In Force gab es früher eine lange Tradition der Kupferverarbeitung, die heute aber kaum noch praktiziert wird. Die Kupferkessel vor dem Rathaus symbolisieren dieses Handwerk, ebenso wie einige Schilder und das leider geschlossene Kupfermuseum.
Die Ausstellung über Ernesto Verrucci Bey
Schließlich entdeckten wir den Palazzo Canestrari, wo die Ausstellung über Ernesto Verrucci Bey untergebracht war. Hier sind die Google-Koordinaten dazu.
Ein freundlicher junger Mann saß an der Rezeption und teilte uns mit, dass der Eintritt kostenlos sei. Aufgrund des Gewitters der letzten Stunden war allerdings die Beleuchtung in den meisten Räumen ausgefallen!
Wir sind aber tapfer und mithilfe der Taschenlampenfunktion unserer Handys durch die Ausstellung gegangen. Ihr könnt auf unseren Fotos die Lichtreflexe der Handyleuchten sehen! Der junge Mann begleitete uns ängstlich und passte auf, dass uns im Dunkeln nichts passierte.
Zuerst haben wir einige Details aus Verruccis Leben erfahren – bedauerlicherweise nur einen kleinen Teil: Er wurde 1874 in Force geboren, wobei seine Mutter wenige Tage nach der Geburt starb. Sein Vater starb 15 Jahre später, woraufhin Ernesto in die Provinz Modena zog. 1892 kehrt er 18-jährig in sein Heimatdorf zurück.
Vier Jahre später, im Jahre 1896, nahm er am griechisch-türkischen Krieg teil (offiziell war Italien keine Kriegspartei, aber es gab wohl viele italienische Freiwillige, die Griechenland gegen das osmanische Reich unterstützten). Ein prägender Moment für Verrucci, denn dort lernte er einen eingebürgerten Ägypter kennen, der ihn überredete, nach Ägypten zu gehen. In Alexandria arbeitete er zunächst im technischen Team des dortigen griechisch-römischen Museums.
1898 zog er nach Kairo, wo er Architekt im Ministerium für öffentliche Arbeiten wurde. Nach und nach erhielt er immer mehr Aufträge, machte sich selbständig und durfte sich schließlich unter dem ägyptischen König Fuad Hofarchitekt nennen. Der König hatte nämlich einst in Turin studiert und blieb danach sein Leben lang an italienischer Kunst interessiert.
Ernesto erhielt sogar den Ehrentitel Bey, vergleichbar mit einer Ernennung zu einem Ritter oder zu einem Lord in England.
Nach den zahlreichen Fotos des Architekten selbst landeten wir in den Räumen mit Zeichnungen und Fotos seiner Entwürfe. Dabei entwarf er nicht nur die Gebäude selbst, sondern auch die Innenräume.
In der Ausstellung entdeckten wir zudem die Entwürfe für sein Villino in Force:
Schade um die spärliche Beleuchtung, obwohl der arme junge Mann sein Bestes versuchte, um die Sicherungen zu überprüfen und seine Hilfe anzubieten. Wir hatten insgesamt auch mehr Informationen und Objekte über das Leben Verruccis erwartet.
Ernesto kehrte 1936, nach dem Tod von König Fuad, nach Force zurück. In Italien breitete sich zu der Zeit der Faschismus aus, mit dem er wenig zu tun haben wollte. So gerieten er und sein Werk allmählich in Vergessenheit, bis er 1945 starb.
Schön, dass Force ihm nun auf so besondere Weise gedenkt!
Trattoria La Vecchia Posta in Force
Nach einem so intensiven Vormittag wollten wir indessen auch unsere Mägen sättigen. Wir entdeckten eine kleine Trattoria in einem ehemaligen Postgebäude. Sie feierte in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Das Interieur atmete eindeutig die Kupfervergangenheit von Force, überall waren Kupfergegenstände zu sehen!
Leckere traditionelle Spaghetti all’Amatriciana und wir waren wieder gestärkt und gut gelaunt.
Tipps für die Ausstellung:
Öffnungszeiten:
- Montags geschlossen.
- Dienstags bis freitags 10:30-18:30 Uhr
- Samstags 10:00-14:00 Uhr
- Sonntags 10:30-18:30 Uhr
Wir empfehlen unbedingt auch die andere Ausstellung Sogni e Tesori in Riva al Nilo (Träume und Schätze am Nilufer) zu besuchen. Beide sind noch bis zum 29. September 2024 geöffnet.
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