Ecco Le Marche

Knapp 1300 Menschen wohnen im Barbara, das an die Gemeinden Arcevia, Castelleone di Suasa, Corinaldo, Serra de Conti und Ostra Vetere angrenzt. Wer würde vermuten, dass der kleine Ort einst heftig umkämpft war?

Barbara – über Jahrhunderte umkämpft.

Strategisch ist Barbara nämlich sehr günstig auf einem Hügel gelegen, der die Täler des Misa-Flusses und des Nevola überblickt. Das erkannten schon im 6. Jahrhundert die Vorposten der barbarischen Langobarden, die sich hier ansiedelten, um weitere Eroberungen zu ermöglichen. Im Jahre 774 wurden sie jedoch von den Franken besiegt. Im 11. Jahrhundert wurde Barbara als kirchliches Lehen den Benediktinern unterstellt, nur um 1257 von der zu der Zeit mächtigen Reichsstadt Jesi erobert zu werden.

Ab dem 15. Jahrhundert wurde die Gegend von den rivalisierenden kaisertreuen Ghibellinen (Waiblinger) und den kirchentreuen Guelfen (Welfen) umkämpft. 1443 hielt sich Alfonso V. von Aragon und Napoli hier auf seinem Zug gegen Francesco Sforza auf. Ab 1453 wurde Barbara, wie die meisten Gemeinden Mittelitaliens, Teil des Kirchenstaates. Berühmte Kardinäle wie Cesi, Barberini und Albani förderten und protektorierten den kleinen Ort. 1461 wehrte der Ort einen Angriff Malatestas aus Rimini erfolgreich ab und 1517 einen der della Rovere aus Urbino.

Da war in der Vergangenheit ganz schön viel los in dem beschaulichen Ort, von dem ich bis dato nur wusste, dass er für seinen Wein, einem der Verdicchio di Castelli di Jesi, bekannt ist.

Kirche Santa Maria Assunta in Barbara.

Neugierig parkten wir daher am Ortseingang bei der Kirche Santa Maria Assunta, die im neoklassizistischen Stil erbaut und 1787 eingeweiht wurde. Die Kirche war – wie so viele in der Gegend – außerhalb der Messen geschlossen. Aber – wie schön! – Wir konnten durch ein großes, gläsernes Fenster hineinschauen und ein Foto machen.

Barbara – ein weiterer Ort mit langer Keramik-Tradition.

Neben der Kirche ein Gebäude mit reichhaltiger Keramikverzierung und einem Konterfei von Papst Johannes Paul II.

Wir fanden noch mehr Keramiken an den Häusern in Barbara, denn der Ort befindet sich, wie auch das nahegelegene Fratte Rosa, in einer Gegend, in der schon seit Römerzeiten getöpfert wurde:

Weiter ging es Richtung Ortskern entlang des Corso Vittorio Emanuele. Unterwegs nahmen wir noch einen Caffè in der sympathischen Barbara-Bar, schließlich ist die Hl. Barbara die Schutzpatronin des Ortes.

Barbara-Tor mit Chiesa di Santa Barbara.

Dann erreichten wir das Barbara-Tor, verziert mit jeweils einer großen Uhr zu beiden Seiten. Welche Überraschung: in die alte Stadtmauer und in das Tor integriert war eine weitere, ungewöhnliche Kirche, die Chiesa di Santa Barbara:

Im 15. Jahrhundert wurde sie zunächst als kleines, privates Gotteshaus eingerichtet, als Dank für das Entkommen aus der Belagerung Malatestas im Jahre 1461. Der römische Kardinal Carlo Barberini beauftragte 1694 die Restaurierung und den Ausbau der Kirche.

Wir betraten das Kirchlein tatsächlich durch das Stadttor. Im Inneren verschiedene erwähnenswerte Gemälde wie das des San Antonio Abate (unbekannter Maler), das der Santa Barbara (von Sebastiano Conca) und das der Madonna mit Erzengel Michael, San Nicola da Tolentino, dem hl. Josef und dem hl. Carlo Borromeo des venezianischen Künstlers Claudio Ridolfi aus dem 16. Jahrhundert.

Madonna dell’Olivo oder Madonna del Bastardo.

Das spannendste und älteste Bild war jedoch das der Madonna dell’Olivo: Es stammt aus der Zeit um das Jahr 1000 und war ursprünglich ein Fresko auf einer Steinmauer eines Gebäudes außerhalb der Stadtmauer (in der heutigen Via Kennedy). Zu der Zeit hieß das Gemälde noch ganz rustikal Madonna del Bastardo. Das Bildnis galt der ländlichen Bevölkerung als wundertätig. 1692 wurde es in Madonna dell’Olivo umbenannt und in die Kirche San Rocco in der Nähe von Barbara geschaffen. Unter Napoleon wurde die Kirche jedoch 1811 zerstört und das Bild fand für kurze Zeit seinen Weg in die Kirche Santa Maria Assunta in Barbara. Es wurde ein Symbol für den Sieg über die Jakobiner. Im Jahr 1812 zog das Bild schließlich an seinen endgültigen Platz in der Santa Barbara Kirche.

Madonna dell’Olivo

Der heiligen Barbara werden verschiedenste Legenden und Eigenschaften zugesprochen (so ist sie zum Beispiel die Schutzheilige der Bergleute); in der Gegend hier gilt sie vor allem als Schutzheilige der Olivenbauern und Beschützerin im Alltag. Jedes Jahr um den 4. Dezember herum gibt es in Barbara ihr zu Ehren ein großes Fest, mit Markt, heiligen Messen und Prozession.

Steintafel mit alten Maßeinheiten.

Wir verließen die Kirche und gelangten wieder in den Tordurchgang. An der gegenüberliegenden Seite befand sich eine merkwürdige Steintafel (Lapide):

Ein Schild daneben wies uns darauf hin, dass es in die Wand eingelassene Maße sind, mit denen Händler im 16. Jahrhundert ihre Ware wie zum Beispiel Tuchwaren „geeicht“ abmessen konnten: so fanden sich dort die Maße für Fußlänge und Armlänge. Ein Schlitz in der Mitte diente schon damals als eine Art Briefkasten für den Einwurf von Steuern und Bußgeldern.

Ebenfalls im Turm soll sich früher ein Gefängnis mit Isolierzelle befunden haben, das wir jedoch nicht besichtigen konnten.

Piazza Garibaldi – Froschkönig oder was?

Auf dem Weg zum anderen Ende des Ortes kommen wir an der beschaulichen Piazza Garibaldi vorbei, an der einige Bewohner:innen sitzen und Schwätzchen halten. Mit schöner Aussicht und schattig unter Bäumen lässt es sich hier aushalten! Ein merkwürdiger Brunnen mit einer Art Froschkönig plätschert im Hintergrund vor sich her. Ich konnte die Bedeutung des Brunnens allerdings leider nicht herausfinden.

Porta Romana und Palazzo Abbaziale.

Wir gelangten schließlich zum anderen Ende von Barbara, das ebenfalls von einem Tor mit Turm, der Porta Romana, bewehrt ist. Hier konnte man gut sehen, wie mächtig die Stadtmauer des kleinen Ortes ist.

Kurz davor linker Hand der Palazzo Abbaziale, in dem sich heute die Räume der Gemeindeverwaltung befinden. Der Palazzo stammt aus dem Jahr 1716 und wurde gebaut, um Kardinal Annibale Albani zu beherbergen, einem Enkel des Gianfrancesco Albani, dem späteren Papst Clemens XI.

Stadtwappen von Barbara auf dem Palazzo Abbaziale

Hier endete unsere Besichtigung von Barbara, einem Ort, dessen Hauptstrasse von Tor zu Tor keine 400 Meter lang ist und der doch so voller interessanter Gebäude und Details ist.

Ich habe den kleinsten Platz der Welt übersehen!

Fertig? Oh nein! Als ich wieder zu Hause ankam und noch einmal im Internet recherchierte, fand ich, dass ich eine Attraktion verpasst hatte: den kleinsten Platz der Welt! Na ja, habe ich mir gedacht, wenn er so klein ist, kein Wunder, dass ich ihn übersehen habe.

Aber bei nächster Gelegenheit habe ich halt nochmal einen Abstecher nach Barbara gemacht und den Platz aufgesucht. Sooooo spektakulär fand ich ihn dann nicht. Ich will ihn Euch aber auch nicht vorenthalten:


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