Einen Mittelalterfilm in einem Dorf in den Marken drehen? Na, da hat man die Qual der Wahl: Es gibt hier so viele kleine Borghi, die noch ihr mittelalterliches Flair bewahrt haben! Offagna ist einer von ihnen und dort wartet man nicht darauf, dass jemand einen solchen Film dreht, sondern organisiert jedes Jahr im historischen Zentrum ein schönes Mittelalterfest.


Doch einst gehörte Offagna ebenso wie Il Cassero, Castel d’Emilio und Camerata Picena zum Verteidigungsgürtel um Ancona. (Siehe auch unseren Artikel darüber).

Die Geschichte von Offagna:
Genau wie Castel’Emilio wird auch ein Ofania im bayerischen Pergamentkodex von 968 erwähnt. Diese Dokumente befinden sich im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek. Der Name könnte durch die Verballhornung des Namens Massa Afraniana entstanden sein, dem Großgrundbesitz der römischen Familie Afrania, auf dem im Mittelalter ein Castellum entstand.
Zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert kämpften die Städte Osimo und Ancona ständig um die Macht über jenes Castellum. Die Anconetaner errichteten dort deshalb zwischen 1454 und 1456 eine befestigte Burg, die noch heute weithin sichtbar ist.

Ab dem 16. Jahrhundert verlor die Burg an Bedeutung. In der Folge wurde eine Podestà, eine Verwaltung aus Ancona, eingerichtet. 100 Jahre später lebten dort zwei bedeutende Adelsfamilien aus Ancona: die Bosdari und die Malacari. Aber seit 1532 regierte dort auch schon der Papst mit seinem Kirchenstaat bis zur Vereinigung Italiens.
Spaziergang durch Offagna:
Heute zählt diese unabhängige Gemeinde etwas mehr als 2000 Einwohner. Isabelle und Erik haben sie besucht und berichten folgendes:
Parken ist in der kleinen Gemeinde nicht schwierig; mein Mann Erik und ich fanden mühelos einen Parkplatz in der Nähe einer Schule. Von hier aus spazierten wir auf der Via dei Tornei in das Dorf. Unter einem Torbogen gelangten wir zum Atelier eines vielseitigen Künstlers. Er war Teil des 2023 ins Leben gerufenen Projekts Offagna Crea (Offagna erschafft), bei dem man in den Sommermonaten in den Gassen des Ortes verschiedene Künstler und Kunsthandwerker bei ihrer Arbeit beobachten kann. Als wir im September dort waren, waren die meisten Ateliers zwar schon geschlossen, aber wir konnten noch einige Exponate sehen.




Die Kirchen Santa Lucia und San Tommaso.
Nahe dem Ortseingang fanden wir die Kirche Santa Lucia an. Sie wurde 1674 an Stelle einer früheren Kirche erbaut. Das dortige hölzerne Kruzifix wurde schon seit 1653, also noch zu Zeiten der alten Kirche, sehr verehrt. Es war lange Zeit Ziel vieler Pilger und wird auch heute noch am jeweils letzten Sonntag im Juli mit einem Fest geehrt.
Es handelt sich bei Santa Lucia um eine ausgesprochen reich verzierte Kirche, die jedoch mit sehr einfachen Mitteln gestaltet wurde: Der Marmor und die Samttapete sind nämlich nicht echt, sondern nur aufgemalt. Dennoch bleibt der barocke Effekt erhalten! Und auch eine Lourdes-Grotte darf natürlich nicht fehlen.















Wir spazierten über die Via Arengo weiter in Richtung Chiesa San Tommaso. Unterwegs kamen wir sowohl an originellen als auch an altmodischen Läden und Lebensmittelgeschäften vorbei. Ein Schaufenster war mit Holzgegenständen aus Olivenholz dekoriert, die von einem Künstler geschnitzt wurden, der ebenfalls am Projekt Offagna Crea teilnahm.











Auch Lesen scheint in Offagna wichtig zu sein:


San Tommaso Kirche von Offagna:
All diese verschiedenen Elemente ließen diese Stadt besonders gemütlich erscheinen! Schließlich tauchte die Kirche San Tommaso Apostolo auf:

Sie wurde im 17. Jahrhundert erbaut und besticht durch ein wunderschönes Altarbild des Heiligen Thomas.







Ein Stückchen weiter erreichten wir den Platz mit dem Rathaus. Von hier konnten wir auch schon einen Blick auf die befestigte Burg (Rocca) erhaschen. Weiter auf der Via dell’Arengo gingen wir an einem großen Gebäude vorbei, in dem sich das Naturkundemuseum von Luigi Paolucci und das Befreiungsmuseum des Zweiten Weltkriegs befinden.

Die Museen waren geschlossen, aber wir hatten ohnehin keine Zeit, sie zu besichtigen. Wenn Ihr jedoch hinein wollt, könnt Ihr Euch vorher über die Öffnungszeiten und Eintrittspreise auf der Museumswebseite erkundigen.
Die Kirche Santissimo Sacramento:
Noch etwas weiter auf der Via Arengo gelangten wir zu einer runden Kirche, der Chiesa del Santissimo Sacramento aus dem 18. Jahrhundert, die von Andrea Vici, einem Schüler des berühmten Vanvitelli, entworfen wurde. Vanvitelli entwarf unter anderem die Mole Vanvitelliana in Ancona.
Und sieh an, auch diese Kirche war offen! So viel Glück haben wir wirklich selten. Nach einer langen Zeit der Vernachlässigung wurde das Gebäude restauriert und im Jahr 2000 wiedereröffnet. Besonders beeindruckend erschien uns die gewölbte Holzkuppel.






La Rocca
Wir drehten um und stiegen über den Stadtplatz hinauf zum Platz mit der Rocca, wo im Juli die mittelalterlichen Feste stattfinden.




Hier befindet sich das Rocca-Museum mit Rüstungen, Waffen und archäologischen Funden. Wir genossen aber lieber die imposante Aussicht auf die Burg und den Blick von der Rocca aus! Etwas weiter entfernt erblickten wir den Torrione (zu Deutsch „großer Turm“), der zur gleichen Zeit wie die Burg errichtet wurde. Wir konnten sogar noch auf einen tiefer gelegenen Platz mit einem Denkmal zu Ehren der Opfer der Weltkriege sehen. Schließlich gingen wir über den Turm wieder hinunter.








Piazza del Maniero und Weltkriegedenkmal.
Wir erreichten die Piazza del Maniero, wo Soldaten Übungen machten. Durch eine Öffnung in der Mauer konnten wir in den Stadtpark schlüpfen, wo ein großes Geschütz an den Krieg erinnert.
Dort fand sich ein Zitat von Papst Johannes Paul II.:
Ho vissuto la secondo guerra mondiale
e sono sopravissuto alla seconda guerra.
Per questo ho il dovere a ricordare a tutti i più giovani,
a tutti quelli che non hanno avuto questa esperienza
ho il dovere di dire MAI PIU LA GUERRA
Ich habe den 2. Weltkrieg erlebt,
und ich habe den 2. Weltkrieg überlebt.
Deshalb habe ich die Pflicht, alle, die jünger sind,
und alle, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, daran zu erinnern,
dass ich die Pflicht habe, NIEMALS WIEDER KRIEG zu sagen.
16. März 2003







Tipps:
Ihr könnt den Besuch in Offagna natürlich auch gut mit den anderen Burgdörfern von Ancona verbinden!
Besonders empfehlenswert ist das Mittelalterfest in Offagna, das immer Mitte Juli stattfindet. Auf dieser Facebook-Seite, beziehungsweise auf dieser Webseite findet Ihr die jeweils aktuellen Veranstaltungen.
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