Die Krippe war für mich schon immer ein besonderer Teil von Weihnachten: Mein Vater hatte unsere Krippe selbst gebastelt, aus Draht, Watte und Stoffresten. Ich erinnere mich vor allem an die heiligen 3 Könige, die mein Vater mit prunkvollen Stoffen umkleidet hatte. Einer hatte ein goldverziertes Paket dabei – aus einer Streichholzschachtel gebastelt. Ich wollte immer wissen, was sich darin befindet, aber ich durfte nie nachschauen. Einer der Könige hatte ein riesengroßes Kamel dabei, dessen ledriges Fell aus einem alten Fenster-Tuch entstanden ist.
So fand ich es sehr aufregend, daß in Italien immer noch eine sehr lebhafte Krippentradition existiert. Das mag damit zusammenhängen, daß die erste Weihnachtskrippe 1223 vom hl. Franz von Assisi in Greccio in der Nähe von Rom erfunden wurde. Franziskus war aus Palästina zurückgekehrt und anstatt eine Predigt über die Geburt Christi zu halten, stellte er – mit Erlaubnis des Papstes Honorius III – die Geburtsgeschichte mit lebenden Darstellern nach. Dabei hatte er vermutlich nicht geahnt, daß in den folgenden Jahrhunderten Krippen in aller Welt Einzug in die Kirchen und sogar Wohnzimmer hielten.
Mein Großonkel zum Beispiel war im frühen 20. Jahrhundert in Aachen Fabrikant von Krippenfiguren und exportierte sie sehr einträglich in die ganze Welt. Doch das kenne ich nur aus Erzählungen.
In den Marken gehören Krippen als fester Bestandteil zum Weihnachtsgeschehen dazu, so wie in Cupramontana, wo die Leute Krippen in ihre Vorgärten bauen. Dabei sind einige sehr umfänglich und stellen neben der Geburtsszene auch das Leben in Palästina nach.
In Jesi aber gibt es seit 1979 ein regelrechtes Krippen-Meisterwerk: junge Leute im Ort fingen an, eine Krippe der besonderen Art zu gestalten indem sie die Krippenszene statt ins biblische Bethlehem in ihre Heimatlandschaft, die Marken, versetzten.
Das ganze ist über die Jahre gewachsen und wird heutzutage mit moderner Computertechnik betrieben, so daß sogar Sonnenauf- und -untergänge simuliert werden.
Um die Krippe herum ist ein marchigianischer Bauernhof mit größter Präzision und vielen Details modelliert. Man sieht typische Orte der Marken: die Grotten von Frassassi kann man ebenso wie den Wallfahrtsort Loreto erkennen. Sogar den erhabenen Monte San Vicino sieht man im Hintergrund.
Die Figuren sind mechanisch animiert – der Schmied schlägt auf seinen Amboß ein, die Mama rollt den Teig aus und der Pedell im Schulgebäude läutet die Schulglocke. Sobald die Sonne untergeht und die Landschaft sich verdunkelt, stellen auch die Figuren ihre Bewegungen ein.
Die Krippe befindet sich in einer modernen Kirche aus den 70er Jahren, der Kirche der „Madonna del Divino Amore“ (hl. Jungfrau der göttlichen Liebe) in der Via Zara 2 in Jesi. Sie ist noch bis zum 6. Januar von 10 bis 12:30 und von 15 bis 20:00 geöffnet. Der Eintritt ist frei, aber man kann natürlich eine Spende hinterlassen, damit die Krippentradition weiter erhalten werden kann.
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