Im Oktober 2016 hat eine Serie von Erdbeben schwere Schäden in einigen Orten der Marken (und von Umbrien) angerichtet. Wie ist es, wenn Dein gesamtes bisheriges Leben von einem Erdbeben auf den Kopf gestellt wird?
- Zittern: Alles um Dich herum zittert plötzlich und Du hast keine Zeit, zu erkennen, was gerade passiert.
- Zusammenbruch: Alles, was Du besessen hast, bricht zusammen und ist verloren.
- Monate: Es dauert unendlich lange, bis Du wieder zu einem Zustand der Normalität findest
- Hoffnung: Eines der wenigen Dinge, die Dir noch bleiben, und an denen Du festhälst
- Schöne Menschen: Diejenigen, die sich aus der ganzen Region und darüber hinaus versammeln, um Lächeln, Umarmungen, Liebe, Musik und Geld zu bringen. Denn Geld, mußt Du wissen, ist wichtig, wenn Du neu starten musst.
RISORGI MARCHE (risorgere = Ital. Für aufleben, auferstehen): Eine von Herzen kommende Veranstaltungsreihe, von wundervollen Leuten organisiert, die es geschafft hatten, namhafte Künstler für die Marken auftreten zu lassen.
In den Jahren 2017 und 2018 sind 230.000 Menschen auf insgesamt 29 Konzerte der Veranstaltungsreihe „Risorgimarche“ gekommen, um ihre Solidarität mit den Erdbebenopfern in den Marken auszudrücken. Große italienische Künstler kamen, wie Angelo Branduardi oder Piero Pelù, beim letzten Überraschungskonzert 2018 sogar mein italienischer Lieblingsmusiker Jovanotti und viele viele machten sich auf den Weg, sie zu sehen.
Ins Leben gerufen vom künstlerischen Leiter Neri Marcorè, einem marchigianischen Künstler, entwickelte sich „Risorgimarche“ zu einem echten Open-Air Festival. Das Konzept: Marcorè wollte die Leute wieder in die vom Erdbeben gebeutelten Gebiete zurückbringen, und ihnen gleichzeitig die Schönheit der Region zeigen. Es gab kostenlose Konzerte in den Berggebieten der Provinzen Macerata, Fermo und Ascoli Piceno, die vom Erdbeben besonders in Mitleidenschaft gezogen waren. Die Veranstaltungsorte konnten nur zu Fuß, mit dem Fahrrad oder zu Pferd erreicht werden. Jeweils vom 1. Juli bis 2. August.
Mit-Bloggerin Laura war bei einigen Konzerten dabei und war berührt. Hier ist ihr Bericht:
„Ich kann nicht beschreiben, wie stolz ich war. Das ursprüngliche Ziel war, eine Veranstaltung zu schaffen, bei der sich Einheimische und Außenwärtige treffen würden. Aber es wurde viel mehr: es wurde eine Gelegenheit, dem lokalen Tourismus der betroffenen Gebiete wieder neues Leben einzuhauchen. Eine Gelegenheit, die Region Marken wieder hervorzuheben und zu beweisen, wie wundershön, gastfreundlich und großzügig Land und Leute sind.
Die für die Veranstaltungen ausgewählten Bergregionen sind ruhige Orte, derart, daß ich ihre Schönheit schon im Auto spüren konnte, als ich auf den großen Parkplatz fuhr, von dem die Wanderung losging. Ich ließ das Auto dort und betrat die reine Natur. Unterwegs traf ich viele Gleichgesinnte: eine Familie mit kleinen Kindern aus einem fernen Dorf, ein älteres Ehepaar, das mir zurief „Wir sind langsam, aber wir schaffen es!“, zwei Eltern, deren Tochter bereits am Vortag auf einem Konzert war und ihnen empfohlen hatte, unbedingt auch hinzugehen, Menschen aus nahen Regionen, Hunde, die Schatten suchten, Kinder auf Dreirädern. Auf einigen Wegen kamen die Leute leicht voran, andere waren anstrengender. Doch die Gruppe gab allen eine Kraft, die wir nie erwartet hätten. Mamma Graziella kann das bestätigen.
Als ich mich auf den Weg nach Hause begab, fühlte mich wirklich als Teil von etwas Großem: Gemeinsam haben wir unsere Unterstützung für eine wunderschöne Region und ihre Menschen zum Ausdruck gebracht, die jeden Tag mit praktischen Problemen und Ängsten zu kämpfen hatten. Das Wetter war perfekt, die Musik hervorragend, das Panorama atemberaubend und wir fühlten, daß wir etwas nützliches taten. Natürlich gab es auch Gelegenheit, Geld an die örtlichen Verbände zu spenden“.
Risorgi Marche wird auch dieses Jahr wieder stattfinden – die Veranstalter haben es vor einigen Wochen entschieden, da die betroffenen Regionen noch weit von der Normalität entfernt sind und alle Solidarität gebrauchen können. Die Konzerte beginnen jeweils um 16:30, damit alle nach dem letzten Lied genügend Zeit haben, den Berg bei Tageslicht wieder zu verlassen. Am besten den ganzen Tag freinehmen – Laura empfiehlt dies nachdrücklich! – und sich auf dem Weg zum Veranstaltungsort die wunderschöne Landschaft ansehen, vielleicht unterwegs ein Picknick machen, um dann als erster vor der Bühne einen Platz zu finden. Wobei die „Bühne“ ein mit einem Seil markiertes Terrain ist, mehr nicht.
Aber das Beste: Auf dem Programm stehen nicht nur Hören und Sehen, sondern auch Schmecken, um die Region am besten kennenzulernen. Lokale Produkte werden angeboten und es gibt ein „After Festival“, bei dem die umliegenden Dörfer ihre Produkte anbieten und die Lokale Essen und Trinken bereithalten.
Der Erfinder, Neri Marcorè, sagt: Risorgi Marche wird die Probleme der Menschen nicht lösen, aber es kann die Grundlage für Inspiration und neue Ideen bilden.
Das Programm für 2019 ist gerade herausgekommen – vielleicht sehen wir uns ja dort:
- 11. Juli in Poggio San Romulado: NEK (in Deutschland bekannt mit „Laura non c’e“)
- 15. Juli in Dosso Vallonica: Überraschungskonzert
- 18. Juli in Piani di Monte Torroncello: Tosca
- 21. Juli in Monte Fraitunno: Pacifico, zusammen mit Neri Marcorè
- 28. Juli in Piani di Monte Gemmo: Edoardo Bennato (der den italienischen Sommerhit 2018 hatte)
- 30. Juli in Localita‘ Fontanelle: Marco Mengoni
- 2. August in Spelonga: Überraschungskonzert
- 7. August in Macereto: Vinicio Capossela
Hier findet man das ganze Programm: Risorgimarche Webseite, Risorgimarche Facebook Seite
0 Kommentare