Hier in der ländlichen Gegend der Marken besitzen viele Familien kleine Olivenhaine, die sie für den Eigenbedarf halten, um ihr eigenes Öl zu produzieren.
Als wir vor fast 10 Jahren unser Haus, oder damals eher Ruine, in den Marken gekauft haben, gehörten zu unserem Grundstück auch 40 Olivenbäume. Ich hatte schon vorher gutes Olivenöl direkt bei Olivenmühlen gekauft, aber wir hatten keine Ahnung, wie man einen Olivenhain bewirtschaftet. Inzwischen sind wir vom Olivenöl-Virus angesteckt! Seit 2013 machen wir unsere Ernte selber und übernehmen auch den Schnitt der Bäume und es macht enormen Spaß. Auch, wenn es an den Tagen der Ernte richtige Knochenarbeit ist.
Geerntet wird in unserer Gegend immer zwischen Anfang November und Januar. Dann sieht man überall die Leute in den Olivenhainen die Netze auslegen, Leitern an Bäumen lehnen und in den Bars und mit den Nachbarn gibt es ein Hauptthema: Wie läuft die Olivenernte?
Wir ernten meist früh gegen Anfang November, wenn die Oliven noch halb grün und schon halb schwarz sind. Dann verabreden wir uns mit Nachbarn und Freunden aus Cupra und manchmal kommen auch Freunde aus Deutschland dazu angereist, um zu helfen. Und dann geht es los: Netz auslegen, Otto oder Isabelle steigen meist in den Baum, um hohe Äste abzuschneiden und abzuernten, der Rest erntet mit den Händen oder Rechen, die an langen Stielen befestigt sind. Dabei kann man herrlich quatschen und herumalbern. Zwischendurch mal einen Kaffee trinken und zusammen „Pranzo“ (Mittagessen) machen, dann vergeht die Zeit wie im Fluge.
Leute, denen das manuelle Pflücken zu schwer ist, benutzen schonmal eine Art motorisierten Quirl, den sie in die Krone der Bäume halten und der die Oliven abschlägt. Aber das ist uns erstens zu laut und ausserdem trübt es die entspannte Atmosphäre beim Ernten und kann auch Wärme erzeugen, die den Oliven schadet.
Ein wichtiger Aspekt für die Qualität des Öles ist die Frische der Oliven. Innerhalb von 2 bis 3 Tagen müssen wir mit den Oliven zur Mühle und bis dahin müssen die Kisten irgendwo kühl und trocken stehen. Und wenn man einige Blätter mit in den Kisten belässt, sorgt das für etwas Entlüftung zwischen den Oliven. Sonst fangen sie an, zu schimmeln und Säure zu bilden und das Öl wird schlecht oder die Olivenmühle weist die Charge sogar ganz zurück.
Bei unserer Mühle, Olio Rosini, kann man ab 200 kg Oliven eine eigene Pressung bekommen. Dieses Jahr gab es wenig Oliven und wir mussten mit 4 Parteien zusammenlegen, um eine eigene Presse zu machen. In unserem besten Jahr haben wir 800 kg nur aus unserem Hain geholt!
In der Mühle ist meist geschäftiges Treiben, denn viele Familien bringen ihre Oliven zur Pressung. Dabei werden die Oliven der anderen recht skeptisch beäugt: nicht dass einer, der vor einem dran ist, schlechte Ware hat und das eigene Öl mit-versaut. Ein unvergleichlicher Geruch nach frischem Olivenöl liegt in der Luft und es ist ein Höllenlärm. Immer mal wieder fällt eine der beiden Linien aus und ein Mitarbeiter muss direkt zur Stelle sein, um das Problem zu beheben. Jetzt darf es keinen Ausfall der Maschinen geben. Zu Spitzenzeiten wird rund um die Uhr gepresst – tagsüber und abends für die kleinen Familien und Eigenproduzenten, nachts für die größeren Lieferungen. Entsprechend packt die ganze Familie mit an und alle laufen irgendwann übernächtigt und wie Zombies herum.
Bei Rosini kann man zwischen traditioneller Produktion mit großen Mühlsteinen und hydraulischer Presse und der Variante mit modernen Maschinen und Zentrifuge wählen. Mit beiden Verfahren kann man kaltgepresstes und bei entsprechender Olivenqualität extravergines Öl herstellen. Die traditionelle Produktion dauert 3 Stunden und benötigt 3 Arbeiter, bei der modernen Methode sind es nur 1,5 Stunden und 1 Arbeiter. Wir nehmen meist die neue Methode, denn ich denke, wir würden den Unterschied nicht schmecken.
Im Prinzip werden die Oliven bei beiden Methoden erst mittels eines Gebläses von Blättern befreit und dann im Wasserbad gereinigt. Dann werden sie entweder mit Mühlsteinen oder einem Brecher zerkleinert und die Masse zwischen 50 und 80 Minuten ständig gerührt, damit sich das Öl aus dem Fruchtfleisch löst. Danach wird die Flüssigkeit aus der Masse gepresst – mittels Zentrifuge oder mittels Presse – und schließlich werden noch Öl und Wasser getrennt. Der magische Moment ist der, wenn das erste eigene Öl aus der Presse läuft!
Mit-Bloggerin
Isabelle hat ein kleines Video bei Olio Rosini gedreht, in dem man die Schritte gut sehen kann:
Und dann wird es richtig spannend: wie wird die „Resa“ dieses Jahr sein, das heißt, wieviel Prozent Öl kommen aus den Oliven netto raus. Bei uns in der Gegend variiert die Resa meist zwischen 8% und 19% – ein sehr großer Spielraum, der von vielen Faktoren wie Wetter, Temperatur und anderen abhängt. Generell erhält man zu einem frühen Erntezeitpunkt weniger Öl, aber die Ölqualität ist in der Regel höher, weil sich bei einer längeren Reifezeit immer mehr Säuren in der Frucht bilden, die die Ölqualität heruntersetzen. Um extravergines Öl zu haben, darf der Säuregehalt 0,8% nicht übersteigen. Ein Säuregehalt von 0,8 bis 2 % ergibt nur vergines Öl und über 2% wird als „Lampenöl“ klassifiziert.
Leider kann man das Extra vergine Kriterium auch mittels chemischer Weichmacher bei minderwertigem Öl erzielen und so kommt es, dass ein gutes Olivenöl beim Erzeuger in der Mühle oft erst ab 12-14 EUR pro Liter verkauft wird, während die Supermärkte chemisch behandeltes Öl für 4-6 EUR den Liter anbieten können. Öl zu einem solch niedrigen Preis ist immer industriell produziert – es kann kein hochwertiges, traditionell hergestelltes sein.
Nadja vom inzwischen rein von Frauen geführten Familienbetrieb Olio Rosini hat eine Leidenschaft für Olivenöl, die man spürt, wenn man bei ihr eine Führung mitgemacht hat. Sie erklärt nicht nur den Herstellungsprozess in ihrer Mühle, sondern sie gibt einem auch eine Warenkunde mit, erklärt verschiedene Olivensorten und macht eine „Olivenölprobe“, bei der man verschiedene Öle testet und schmeckt, ganz so, wie es professionelle Verkoster machen. Als Belohnung gibt es nach der Führung einen Tisch voller kleiner, von der Mutter hausgemachter Gerichte, mit denen sie zeigt, was man mit ihrem Öl tolles machen kann. Das reicht von klassischen Bruschette bis hin zu Eis mit Olivenöl!
Wir verordnen unseren Gästen den Besuch in der Olivenmühle quasi als Pflichtprogramm, denn es ist wirklich spannend. Die Besichtigungen sind das ganze Jahr über möglich, auch wenn die Mühle nicht in Betrieb ist. Dabei müssen wir unseren Besuchern einbläuen, vorher nicht zu viel zu frühstücken, denn die Verkostung bei Rosini ist reichhaltig. Bisher sind alle begeistert davon zurückgekommen und nicht selten mit einigen Litern Olivenöl im Schlepptau.
Wenn wir dann zum Jahresende mit dem Auto zurück nach Deutschland fahren, hat es sich eingebürgert, dass wir für Freunde und Kollegen zu Hause Öl kaufen und mitbringen. Dabei haben wir oft das Auto bis zum Rande hin voll. Aber wir machen es gerne, denn wir sind ja vom Olivenöl-Virus angesteckt!
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