Zusammen mit Isabelle ernten wir im Moment unsere Oliven. Wir lieben unser Olivenöl, aber Isabelle erzählte uns von ihrem Ausflug nach Cartoceto, wo das bekannteste Olivenöl der Region Marken herkommt. Hier ist ihr Bericht:
In Italien gibt es nicht weniger als 400 verschiedene Olivensorten: welche, die man gut einlegen kann und solche, die sich besser für Öl eignen. In unserer Region Marken unterscheidet man 40 typische Sorten. Tatsächlich gibt es professionelle Olivenölverkoster, so wie es Verkoster für Wein gibt. In den meisten Olivenhainen der Gegend findet man mehrere verschiedene Sorten, so dass das daraus gewonnene Olivenöl als „Blend“ bezeichnet wird. Wenn man das Öl dagegen aus nur einer Olivensorte presst, spricht man von einem monovarietalen oder reinsortigem Öl. Beim reinsortigen Öl kommt natürlich der charakteristische Geschmack der jeweiligen Olivensorte besonders gut zur Geltung.
Die Marken produzieren seit Jahrhunderten Olivenöl, das früher sogar als Zahlungsmittel gedient hat. Der Ort Cartoceto ist dabei eine der wichtigsten marchigianischen Olivenöl-Gemeinden. Wahrscheinlich gründeten hier die Karthager, die vor der Schlacht am Fluss Metauro (2. Punischer Krieg (218-201 vor Christus)) flohen, eine Siedlung. Sie wird bereits in einigen Dokumenten aus dem Jahr 79 v. Chr. erwähnt. Eine andere Hypothese sieht die Gründung von Cartoceto durch Menschen, die von den Barbaren im 6. bis 8. Jahrhundert nach Christus aus ihren ursprünglichen Heimatorten vertrieben wurden.
In jedem Fall bezeugen schriftliche Quellen aus dem 12. Jahrhundert, dass es in der damals schon von einer Mauer umgebenen Stadt bereits Olivenbäume gab. Nur ein Jahrhundert später gehörte Cartoceto zum wichtigsten Olivenölproduzenten der Grafschaft Fano.
Aber nach dem schweren Erdbeben von 1572 musste die Stadt erstmal komplett neu aufgebaut werden.
Ab 1977 wurde in Cartoceto dann jedes Jahr im November ein Olivenmarkt abgehalten und ab 2004 erhielt das Olivenöl als einziges in den Marken das Zertifikat D.O.P. (Denominazione d’origine Protetta, also die geschützte Ursprungsbezeichnung). Das Zertifikat garantiert unter anderem, dass die verwendeten Oliven nur aus den Gemeinden Cartoceto, Mombaroccio, Fano oder Colli al Metauro stammen.
Als echter Oliven-Fan wollte Isabelle diesen besonderen Ort zusammen mit ihrem Mann Erik besuchen. Als sie sich Cartoceto näherten sahen sie schon überall Olivenbäume !
Geparkt wurde auf einem kleinen Parkplatz am Stadtrand, wo die Kirche Santa Maria della Misericordia, Santuario della Mandonna delle Grazie, stand. Diese Kirche wurde im 19. Jahrhundert an der Stelle errichtet, an der vorher ein religiöses Gebäude aus dem 15. Jahrhundert stand. Beim Eintreten fielen sofort die reich bemalte Decke und das gut erhaltene Fresko der Madonna aus dem 14. Jahrhundert ins Auge. Die Madonna muss sehr verehrt worden sein, denn man konnte noch die vielen Votivgaben, die als Dank, zum Beispiel für Heilungen, gestiftet wurden, sehen.
Im Jahr 2015 wurde an der Außenseite ein Relief zum Andenken an die ertrunkenen Bootsflüchtlinge errichtet.
Isabelle und Erik stiegen eine Treppe hinunter, liefen an der Stadtmauer entlang und erreichten wenig später die Piazza Garibaldi.
Hier wurden sie vom imposanten Palazzo del Popolo aus dem 14. Jahrhundert empfangen.
Danach ging es durch das Stadttor, von wo aus sich ein Panorama aus Olivenhainen darbot. Im Bogen des Stadttores befand sich eine Dauerausstellung unter Verwendung der Steine, die 2012 aus der teils eingestürzten Stadtmauer geborgen wurden. Auf der rechten Seite erblickten sie den Palazzo Marcolini, der sich heutzutage zusammen mit der Bibliothek in städtischem Besitz befindet.
Die Gemeinde erhielt weitestgehend die alten geometrischen Fischgrätenformen im Pflaster, die man in den zahlreichen Gassen und Treppen erblicken konnte. Im Sommer schaffen dann allerlei Terassen und Bars eine richtig gemütliche Atmosphäre.
Etwas weiter stießen die beiden auf eine Mauer mit Gedichten. Überhaupt entdeckten sie überall Spuren von Kunst, die wohl auf den Olivenölmärkten ausgestellt worden war, so zum Beispiel „Dit ed Ardit“ von Urbana Mascarucci mit Zaubersprüchen im Dialekt oder der Olivenölbrunnen 2004, realisiert von Padre Stefano Pigni (der 1919-2006 in Cartoceto lebte ).
Schließlich erreichten sie die Piazza Marconi mit seiner sehr schönen Aussicht und dem kleinen Theater „Trionfo“ aus dem 18. Jahrhundert, das in einer ehemaligen Olivenölmühle untergebracht war. Dieser Platz wurde auch „Turchia“ oder „Türkei“ genannt, weil man sich hier während der Bedrohung durch die Sarazenen auf die Lauer legte.
Am Ende schlenderten Isabelle und Erik noch durch den Ort und beschlossenen, der lokalen Gastronomie einen Besuch abzustatten.
Sie landeten im Restaurant Pizzeria „Agli Olivi“, natürlich umgeben von hunderten von Olivenbäumen! Ein sehr großes Restaurant, in das sicher schon mal Busladungen von Gästen kommen. Aber durch die vielen Ecken und Winkel fühlte es sich dennoch gemütlich an. Das Restaurant war für seinen „Baccalà“ (eingesalzener Kabeljau) berühmt und schon prämiert worden. Und da es mitten in der Olivenernte-Saison war, bekamen die beiden ein wenig frisch gepresstes Olivenöl auf einem Stück Brot zum probieren, das unglaublich lecker, aber auch ziemlich pikant war. Alles in allem wurden sie nicht enttäuscht: sehr schmackhafte Gerichte von guter Qualität und eine sehr freundliche Bedienung !
Wer einmal einen Olivenölproduzenten in Cartoceto besuchen möchte, findet hier eine Liste der Aziendas.
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