Es war einmal ein Fluss mit Namen Musone. Vor langer, langer Zeit erblickte er das Licht der Welt im Apennin-Gebirge nahe dem Monte San Vito und floss seitdem tagein, tagaus den langen Weg bis zum adriatischen Meer.
Er erinnert sich noch gut an die Griechen, die ihn damals Misco nannten und an die Römer, zu deren Zeiten sogar Boote auf ihm dahinglitten! Er erinnerte sich auch vage daran, dass in der Nähe der Abtei von San Vittore eine Königin kam, um nackt in seinen Wassern zu baden. Die Bewohner des Dorfes waren empört und wiesen ihre Kinder an, die Königin mit Steinen zu bewerfen und zu verjagen. Doch Rache ist süß, und so ließ die gedemütigte Königin das Dorf vollständig zerstören. Aber manchmal denkt der Fluss, er habe sich das vielleicht auch nur eingebildet und es war lediglich eine Legende.
All dies schien schon so lange her zu sein. Doch eines wusste er sicher, nämlich, dass dieser Ort verzaubert war. Denn sie erzählten in der Gegend, flüsternd nur, dass irgendwo hier ein Topf voll Gold versteckt sei. Und die, die nächtens unterwegs waren, berichteten, sie hätten Umrisse von 7 Ferkeln gesehen. Hin und an vermeinte man, das Geräusch eines alten Webstuhles zu hören.
Eine Erinnerung jedoch war dem Fluss Musone derart wertvoll, dass sie sich tief in sein Gedächtnis eingegraben hatte: jauchzende und spielende Kinder im Sommer, die sich an seinen Ufern gegenseitig nass spritzten und Erwachsene, die Abkühlung und Schatten entlang der Ufer suchten. Doch leider gehörte dies einer fernen Vergangenheit an, denn die verwunschenen Ufer konnte niemand mehr erreichen, da sie völlig mit Brombeeren und Gestrüpp überwachsen waren, wie seinerzeit Dornröschens Schloss.
Niemand bemerkte seine Traurigkeit, denn seine dicken Tränen verschmolzen mit dem ewig plätschernden Wasser …
Doch eines Tages hörte Musone Stimmen, erst entfernt und dann ganz in der Nähe: „Wie schön wäre es doch, wenn die Kinder hier im Wasser spielen könnten, so wie wir es früher gemacht haben, und dass wir wieder die Kühle der Ufer aufsuchen und die Natur im Verlauf der Jahreszeiten genießen könnten …“. Und auf einmal war er da, der Lärm von Baumscheren, Freischneidern und angestrengt arbeitenden Menschen …
Kann das wahr sein? Ja! Zur großen Freude des Flusses wurden die Dornen, die ihn solange versteckt hatten, entfernt und es entstand, ganz langsam, ein freier Durchgang zu seinen Ufern.
Das blieb in der Märchenwelt natürlich nicht unbemerkt und so siedelten sich schon bald wieder Feen und Gnome, ja auch Tiere, wieder an.
Tagsüber waren sie naturgemäß sehr faul und schienen sich kaum zu bewegen. Aber nachts, ja, da wurden sie auf einmal sehr aktiv. Und was für eine Bereicherung für die neuen Bewohner, als eine richtige kleine Wassermühle für Beleuchtung sorgte!
Ihr glaubt uns nicht? Den magischen Fluss gibt es wirklich! Man kann ihn besuchen und sich von ihm verzaubern lassen …
… oder vielmehr vom Enthusiasmus einer Gruppe von Freiwilligen, die dies in nur 2 Jahren erschaffen hat! Denn im Jahr 2018 begannen sie mit den ersten Räumungsarbeiten und schon in diesem Jahr, 2020, erfreuten sich zahlreiche Familien an dem zauberhaften Ort.
Isabelle und ich können es bestätigen, denn wir waren kürzlich selbst dort und haben mit den Initiatoren gesprochen:
Franco, Claudia Eleonora und Loris Stefano, Isabelle
Tatsächlich beschränkten sich die Aktivitäten nicht nur auf diese kleine Gruppe, denn ihre Begeisterung steckte nach und nach die ganze Gemeinde an. Alle haben, jeder so wie er konnte, soviel wie möglich dazu beigetragen, dass ihr Fluss wieder zu einem unvergesslichen Ort wurde. Dabei wurde so manches Talent entdeckt: der kürzlich in Ruhestand getretene Bäcker des Dorfes, Ettore, entpuppte sich auf einmal als Schreiner, unter dessen geschickten Händen viele Holzfiguren das Licht der Welt erblickten, ganz wie bei Meister Gepetto und seinem Pinocchio.
Ettore, Bäcker und Schreiner
Die Schüler des Gymnasiums von Cingoli erstellten eine Broschüre, in der sie ihre Forschungen über San Vittore und Umgebung festhielten. Es wurde zur Anschauung ein Tag organisiert, an dem die Wäsche sogar wie früher im Fluss gewaschen wurde.
Wir haben die niedlichen, liebevoll gestalteten Figürchen wirklich lieb gewonnen und selbst die Katze schien die Nähe der kleinen Waldgeister zu spüren.
Wir sahen sogar Kinder, die an die Türen der kleinen Holzhäuschen klopften, um zu sehen, ob vielleicht jemand herauskommt 🙂
Isabelle und ich langweilten uns jedenfalls nicht eine Sekunde und das Kind in uns wurde beim Anblick all dieser Märchenfiguren ganz aufgeregt. Selbst die Treppe, die zum Topf mit Gold führt, war da!
Am Ende baten die Elfen und Kobolde die Besucher um Anregungen, die in den bereitgestellten Briefkasten gesteckt werden konnten. Und sie können sich sicher sein, dass vor allem die kleinen Besucher eifrig Vorschläge niederschreiben, und dass diese dann auch aufmerksam gelesen werden!
Für das Dorf ist das Abenteuer noch lange nicht zu Ende: sie erzählten, dass die nächste Erweiterung schon geplant ist, denn ein verwunschener Bambuswald in Ufernähe wartet darauf, vom Unkraut befreit zu werden.
Auch das Ufer muss noch weiter vom Unkraut befreit werden. Aber am ehrgeizigsten ist das Projekt, den verwunschenen Fluss zum Teil einer kulturhistorischen Route zu machen, die den Fluss mit den Überresten der alten Abtei und den Resten des nahegelegenen römischen Munizipium verbindet. Doch das wird etwas für einen neuen Blog-Artikel sein …
Möchtet Ihr Euch auch verzaubern lassen? Unter diesem link hier findet Ihr den Ort in google maps. In der Hauptsaison öffnen sie eine nahegelegene Wiese, um ausreichend Parkplatz zu bieten und zu anderen Zeiten kann man bequem gegenüber der örtlichen Bar parken. Der Zugang zum verzauberten Fluss kostet keinen Eintritt, aber sicher freuen sich die Anwohner darüber, wenn hinterher in der Gegend eingekehrt oder eingekauft wird …
In der Bäckerei des Ortes findet man zum Beispiel die leckeren Süßigkeiten der Gegend, nach Aussage von Ettore auch die besten „Cavallucci“ der Region. Wir durften die um diese Jahreszeit typischen Kekse aus Traubenmost probieren – buonissimo!!!
Bedanken möchten wir uns beim sympathischen Team, das uns ganz herzlich willkommen geheißen und uns einen unvergesslichen Nachmittag beschert hat:
Grazie mille a tutti : im Foto neben Isabelle von links nach rechts: Stefano Filonzi, Claudia Grasselli (Stefanos Frau); Franco Stoppart, Eleonora Compagnucci, Loris Bolzonì (Eleonoras Partner) ; Ettore Compagnucci.
Andere aktive Mitglieder: Erina Iencenella, Virginio Compagnucci, Chiara Trombettoni, sowie der junge Riccardo Spadoni.
Nicht zu vergessen einen herzlichen Dank an die kleinen Ureinwohner dieses zauberhaften Ortes:
Auf der Facebook-Seite des verzauberten Flusses (des „Fiume incantato“) kann man übrigens den letzten Neuigkeiten zum Flußprojekt folgen.
4 Kommentare
Erina · 27 November 2020 um 14:05
Grazie non avremmo potuto descrivere meglio…
isabelle · 30 November 2020 um 17:00
Con molto piacere abbiamo scritto questo articolo su un posto meraviglioso ! Isabelle, Laura ed Elke
Renate Drove · 27 November 2020 um 16:11
So eine schöne Geschichte und dass es Menschen gibt, die so etwas anpacken. Grosses Kompliment an alle. Man möchte sich am liebsten direkt auf den Weg dorthin machen.
Vielen Dank für den Beitrag und die netten Bilder!!!!
Renate
elke · 30 November 2020 um 17:33
Lieben Dank für die Blumen, Renate!!! Vielleicht können wir ja mal – nach Corona – zusammen dorthin!