Heute stellen wir Euch mit Servigliano einen der unbekannteren Orte der Marken jenseits der üblichen touristischen Pfade vor.
Mit-Bloggerin Isabelle und ihr Mann Erik war letztes Jahr dort, um das Gefangenenlager aus dem ersten und zweiten Weltkrieg zu besichtigen, worüber in einem unserer nächsten Artikel noch zu lesen sein wird.
Nach dem Besuch beschlossen Sie, sich die Stadt selber anzusehen und wurden überrascht. Anstelle einer mittelalterlichen Burg auf einem Hügel fanden sie eine Ortschaft in rechteckiger Form im Tal vor … und erfuhren die ungewöhnliche Erklärung dafür:
Denn eine Stadt, flach und ohne Höhenunterschiede ist in den Marken sehr unüblich. Dabei ist es eine sehr schöne Stadt mit viel grün, kleinen Plätzen und netten Bars und Restaurants. Selbst im Januar, als Isabelle und Erik dort waren, konnten sie sich vorstellen, wie schön es hier im Sommer sein würde.
Überall hingen alte Stadtpläne mit historischen Erläuterungen zur Stadtarchitektur.
Außerhalb der Porta Clementina entdeckten sie neben der Kirche Santa Maria del Piano das ehemalige Kloster des Ordens der „Minori Osservanti„, einem strengen Franziskanerorden. Hier wurden bei Ausgrabungen die Reste einer römischen Villa gefunden. Der Name der Stadt, Servigliano, beruht demnach wohl auf dem Römer Publio Servillio Rullo, der sich in der Nähe niederließ. Das Kloster selber änderte nach der Vereinigung Italiens seine Funktion und war mal Schule, mal Krankenhaus und mal Kaserne für die Carabinieri (Polizei).
Um das Jahr 1000 herum, ließen sich 16 Familien auf dem nahe bei liegenden Hügel nieder und gründeten das Castello di San Marco sul Monte, das das spätere Burgdorf Servigliano werden sollte. Soweit typisch für die Marken. Doch im Laufe der Jahrhunderte zeigte sich, dass es in diesem Fall eine schlechte Wahl war: wiederholte Erdrutsche, der schlimmste davon im Jahr 1758, zerstörten die Häuser.
Daher erteilte Papst Clemens XIV (seines Zeichens Herrscher über die Marken, die zu der Zeit zum Kirchenstaat gehörten) im Jahre 1771 die Erlaubnis zum Bau einer neuen Gemeinde im Tal in 4 Kilometern Entfernung.
So geschah es und zum Dank nannten die Bewohner die neue Siedlung Castel Clementino. Der Architekt plante eine ideale Stadt: eine um-mauerte, rechteckige Stadt mit 3 Toren, der Porta Clementina im Norden, der Porta Pia im Süden und der Porta Santo Spirito im Osten.
Zusätzlich zu den Wohnhäusern wurden ein Rathaus und die Kirche Collegiata San Marco gebaut.
Im Jahr 1866, nach der Einigung Italiens, wurde anstelle von Castel Clementino wieder der alte Name Servigliano verwendet.
Die Sonnenuhr an der Kirche enthält eine Widmung von Papst Johannes XXIII:
Wenn Ihr unterwegs seid und jemanden trefft, fragt ihn nicht, woher er kommt. Aber fragt ihn, wohin er geht. Und wenn er in die gleiche Richtung geht, dann geht zusammen mit ihm.
Papst Johannes XXIII
Heutzutage wohnt ein Großteil der etwa 2300 Einwohner außerhalb der alten Stadtmauern. Servigliano gehört übrigens zu den „Borghi più belli d’Italia„, den „schönsten Dörfern Italiens“, von denen es lediglich rund 300 in ganz Italien gibt. Auf der Internetseite der Borghi più belli d’Italia findet sich dazu eine sehr schöne Luftaufnahme des Ortes.
Isabelle und Erik haben jedenfalls ihren Besuch genossen, empfehlen aber einen Besuch außerhalb der Winterzeit, damit man auf einem der schönen Plätze sitzen und den Alltag des sympathischen Ortes erleben kann.
Wer übrigens im August in den Marken weilt, sollte auf keinen Fall das mittelalterliche Fest „Torneo Cavalaresco di Castel Clementino“ verpassen, das dem Abt Farfa gewidmet ist, der der Gemeinde im Jahre 1450 das Tal schenkte, in dem im 18. Jahrhundert das spätere Servigliano gegründet wurde.
Und man sollte den ehemaligen Bahnhof nicht vergessen, denn der beherbergt einen Ort der Erinnerung an das Gefangenenlager, das hier während des 1. und des 2. Weltkrieges betrieben wurde. Doch dazu später mehr …
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