Ecco Le Marche

Der 25. April ist einer der ganz wichtigen nationalen Feiertage in Italien, denn dann wird der Befreiung Italiens gedacht. „Aber Befreiung von wem, weisst Du das auch?“ fragte mich ein italienischer Kollege vor ein paar Jahren. „Ja, sagte ich, es ist die Befreiung vom Faschismus„. „Es ist die Befreiung von Euch Deutschen„, sagte mein Kollege, und es sei ihm darum immer etwas unangenehm, Deutschen Kollegen und Freunden diesen Feiertag zu erklären.

Faschismus ist nicht nur ein deutsches Problem, schließlich hatte auch Italien einen Duce und war faschistisch regiert. Aber Italien hat bereits 1943 ein Friedensabkommen mit den Alliierten geschlossen und wurde danach von den faschistischen Deutschen besetzt, bis diese am 25. April von italienischen Truppen und Partisanenorganisationen endgültig besiegt wurden (und schließlich am 2. Mai kapitulierten).

Weil Deutschland jedoch Zentrum des Faschismus war und unfassbar viel Leiden über Europa und darüber hinaus gebracht hat, würde ich mir persönlich auch in Deutschland einen Feiertag zum Ende des Faschismus wünschen.

Dieser Tag der Befreiung ist jedenfalls in Italien ähnlich wichtig, wie der Nationalfeiertag am 2. Juni.

Schon früh am Morgen des 25. April hört man die Musik der örtlichen Kapelle, die zur Kranzniederlegung an den Denkmälern der Gefallenen, zum Beispiel bei uns am Ort in Cupramontana, spielt. Allen voran geht der Bürgermeister und die Gemeinde salutiert, die Nationalhymne wird gespielt und auch schon einmal das berühmte Partisanenlied „Bella Ciao„.

Gefallenen-Gedenkstätte in Cupramontana

Isabelle hat letztes Jahr im Januar ein ehemaliges Kriegsgefangenen-Lager in den Marken bei Servigliano besichtigt, das sowohl im 1. als auch im 2. Weltkrieg operativ war, und an dem man die Wirrungen der Kriege gut nachvollziehen kann:

Italien nahm erst ab 1915 am Ersten Weltkrieg teil, wobei die Frontlinie im Norden des Landes verlief. Bald brauchte man ein Lager für die gefangenen Österreicher, möglichst weit weg von der Front, auf flachem Terrain, gut zu bewachen und drumherum möglichst wenig besiedelt. In Servigliano fanden sie den gewünschten Ort und bauten dort, ab 1916, 32 Holzbaracken, die von einer Ziegelmauer mit Stacheldraht gesichert waren und 4000 Gefangene aufnehmen konnten.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurden die Baracken als Lagerräume genutzt und 1935 erhielt die Gemeinde die Hälfte des Geländes zur eigenen Nutzung und verwandelte es in eine Fußballplatz.

Die verbliebenen Baracken wurden allerdings ab 1941 wieder als Kriegsgefangenenlager genutzt, wo das faschistische italienische Regime die gefangenen Alliierten internierte: Zunächst die in Afrika gefangenen britischen Soldaten, ab 1943 auch Amerikaner und Franzosen. Am 14.9.1943 schloss Italien einen Friedensvertrag mit den Alliierten, und im ganzen Land entbrannten bittere Kämpfe, denn nun besetzten deutsche Soldaten das ehemals verbündete Italien und Mussolini gründete im Norden eine sogenannte faschistische Republik.

In dem damit einhergehenden Chaos konnten in Servigliano einige Gefangene ein Loch in die Lagerwand schlagen und entkommen. So geschah es auch in vielen anderen italienischen Gefangenenlagern und die meisten von ihnen fanden Zuflucht in den Häusern von Italienern, die damit die Todesstrafe riskierten. Man denke: Mehr als 25000 entkommene Militärgefangene versteckten sich bei der lokalen Bevölkerung.

Aus Dankbarkeit blieben viele dieser Ex-Häftlinge mit ihren Rettern in Kontakt, wie der britische Ex-Offizier J. Keith Kilby, der den Monte San Martino Trust gründete, um italienischen Schülern ein Stipendium in London zu ermöglichen.

Im Mai organisieren sie manchmal einen Spaziergang, der auch „Sentieri di Liberta“ (Wege der Freiheit) genannt wird und bei dem ehemalige Gefangene oder deren Angehörige zusammen mit Bürgern aus Servigliano dem Weg folgen, auf dem die Gefangenen damals geflüchtet sind.

Im weiteren verlauf des Jahres 1943 übernahmen die Nazis das Lager und internierten dort neben 241 britischen Gefangenen nun auch 62 jüdische Familien. Das Lager wurde zu einem Durchgangslager. Bei einem Bombenangriff auf das Lager konnten noch einmal viele Häftlinge fliehen, aber leider wurde die Hälfte der jüdischen Gefangenen wieder gefasst und sofort in Konzentrationslager geschickt. Von ihnen überlebte als Einzige Susanna Hauser.

Nach dem 2. Weltkrieg, zwischen 1947 und 1955, diente das Lager als Flüchtlingslager für heimkehrende italienische Ex-Kolonisten aus Afrika, sowie für Dalmatiner / Istrier. General Tito hatte diesen ehemaligen Teil Italiens an das damalige Jugoslawien angegliedert und alle Italiener vertrieben.

Als der letzte Flüchtling 1970 das Lager verließ, verwahrloste das Lager, so dass der Stadtrat den Abriss aller Kasernen verfügte. Nur ein Teil der Krankenstation und die Wachkaserne an der Außenmauer blieben bestehen und werden heutzutage von Pfadfindern genutzt. Neben einem Fußballplatz und anderen Sportanlagen wurde auch der „Parco della Pace“, der Friedenspark geboren.

2001 wurde der Verein „la casa della Memoria“ (das Haus der Erinnerung) gegründet, um Dokumente über die Kriegsgeschichte und das Lager in Servigliano zu sammeln. Im Jahre 2013 wurde zusätzlich der ehemalige Bahnhof als „Aula della Memoria“ umgebaut, denn hier kamen alle Häftlinge an, die für das Gefangenenlager bestimmt waren. Bis 1955 diente der Bahnhof noch als reguläre Bahnstation auf der Strecke Fermo nach Amandola.

Im Museum können Besucher heutzutage das „Campo Prigionero di Guerra 59“ (Kriegsgefangenenlager Nummer 59) besichtigen.

Das Camp kann mit einem Führer entweder auf Anfrage oder am Tag der offenen Tür besichtigt werden (Informationen auf der Webseite). Schüler aus Servigliano haben sogar eine Route entwickelt, auf der man sich mit Hilfe von QR-Codes die jeweiligen Erklärungen in 3 verschiedenen Sprachen herunterladen kann (Italienisch, Englisch, Französisch)


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