Es ist nun schon 11 Jahre her, dass wir unser Haus in den Marken gekauft haben, aber ich war, so scheint es, noch nie im nur 30 Kilometer entfernten Ostra Vetere.
Zunächst kam mir der Name bekannt vor, aber tatsächlich waren wir zwar schon einmal im benachbarten Ostra, das aber eben nicht mit Ostra Vetere zu verwechseln ist, wie es meinem Mann auf einer Fahrradtour passierte: Er fuhr nach Ostra Vetere, denn er meinte sich von einer früheren Tour noch an eine nette Bar am Theater zu erinnern, wo er eine Pause machen wollte. Die Bar suchte er in Ostra Vetere vergebens, denn die Bar seiner Erinnerung war in Ostra gewesen!
Tatsächlich haben beide Orte eine – zugegeben ebenso verwirrende – Gemeinsamkeit: Bis ins Jahr 409 n. Chr. befand sich die alte römische Stadt Ostra im Tal, bis die Einwohner vor den herannahenden Goten auf die gegenüberliegenden Hügel flohen und dort ihre neue Stadt gründeten. Ostra Vetere hingegen wurde irgendwann im 12. Jahrhundert zunächst als kleine, dem hl. Severo gewidmete, religiöse Siedlung direkt neben den Ruinen der alten Stadt Ostra gebaut. Und hundert Jahre später wurde an ebendieser Stelle bereits ein Burgdorf erwähnt. Neben Ostra Vetere befinden sich nun also die Ausgrabungen des alten Ostra. Und um die Verwirrung perfekt zu machen, hieß Ostra Vetere früher Montenovo und wurde erst im 19. Jahrhundert in Ostra Vetere umbenannt. Nach langen Diskussionen mit der Nachbargemeinde Montalboddo, die sich Ostra nennen sollte, erhielt Montenovo 1882 nämlich die Erlaubnis, sich Ostra Vetere (das alte Ostra) zu nennen.
Was wir alle nicht wussten, war, dass Ostra Vetere ein sehr schöner kleiner Ort ist, der eine Stippvisite wert ist. Blogger-Freundin Isabelle und ihr Mann Erik waren letztens dort:
Sie parkten an der Stadtmauer aus dem 14.-15. Jahrhundert, wo es reichlich kostenlosen Parkraum gab. Beim Eintreten durch das Westtor sahen sie zunächst ein altes, ehemaliges Hospital:
Einmal im Ort drin, erkannten die beiden, dass Ostra Vetere einmal sehr reich gewesen sein muss, denn sie sahen mehrere kolossale Gebäude und Palazzi mit eingerahmten Türen, Oberlichtern und schönen Türklopfern.
Der Stadtturm aus dem 15. und 16. Jahrhundert überragte alles. Und an einem Palazzo lasen sie, dass dort Arnaldo Giuseppe Fornaroli wohnte, der 1913 in der Gemeinde Jesi die erste automatische Telefonzentrale baute.
Zur freudigen Überraschung entdeckten die beiden kurz darauf eine wunderschöne lange Treppe, wie man sie sonst nur von den Postkarten und Bildern aus Corinaldo kennt. Es fehlte eigentlich nur der pittoreske Brunnen Corinaldos!
Weiter ging es zur neu-gotischen Kirche Santa Maria di Piazza, deren Silhouette mit ihren typischen Türmen schon von weitem sichtbar ist. Leider war sie wegen des Erdbebens 2016 immer noch geschlossen.
Aber es gab ja noch andere Kirchen: Auf der Piazza Beata M. Crocefissa Satellico konnte man die Barockkirche Santa Lucia besichtigen. Im Inneren die Seitenkapelle, die der Namenspatronin gewidmet ist, einer Äbtissin aus dem 18. Jahrhundert, die von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wurde. Das Gemälde am Altar mit ihrem Konterfei wurde vom derzeitigen Papst Franziskus in Rom gesegnet.
Die Orgel entstammte der berühmten Orgelbaufirma Canonici aus Montecarotto und ein Altar mit hölzernem Kruzifix vervollständigte das ganze.
Nebenan das städtische Museum mit drei Abteilungen: der Pinakothek mit einem Werk von Pomarancio, einer Bibliothek mit 3500 Büchern aus de 15. und 16. Jahrhundert und einem Antiquarium mit der Kopie einer römischen Trajans-Statue, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Gegend ausgegraben wurde.
Von der Via Mazzini aus konnte Isabelle die lange Treppe nochmal von unten fotografieren:
Entlang der Steinmauer spazierten Isabelle und Erik zur Kirche Santo Severo aus dem 15. Jahrhundert, mit einem schönen Portal aus dem 13. Jahrhundert!
Sehenswert auch der Kreuzgang des hl. Franziskus aus dem 14. Jahrhundert, in dem sich das kleine Postamt des Dorfes befindet.
Diese kleine Gemeinde hatte es den beiden richtig angetan: herrliche Aussicht, gemütliche Gassen und nette kleine Geschäfte …
Beim Verlassen Ostra Veteres durch die Porta IV Agosto lockte die beiden schließlich noch eine in die Stadtmauer gebaute Bar.
Ein kleiner Tipp für Liebhaber des Kuriosen: Wenn man aus der Porta IV Agosto in Richtung der alten Kirche S. Crocefisso aus dem 15. Jahrhundert geht, kommt man am Garten eines offenbar leidenschaftlichen Sammlers von Heiligenstatuen – und anderen Figuren! – vorbei …
Wir wünschen eine schöne Erkundung von Ostra Vetere!
1 Kommentar
Kurt Luks · 23 Januar 2022 um 16:50
Die ältesten Spuren von Ostra bzw. Ostra Vetere findet man m Tal der Misa zwischen Ostra Vetere und Ostra. Hier findet sich eine berühmte Ausgrabungsstätte. Interessant ist das freigelegte Amphittheater. Weitere Informationen findet Ihr hier: https://www.valmisa.com/1725/ostra-vetere-quinta-campagna-di-scavo-per-larea-archeologica. An den Ausgrabungen beteiligen sich mehrere Universitäten: Bologna, Clermont Ferrant. Die Aufsicht führt dott. Giuliano De Marinis, Soprintendente per l’Archeologia delle Marche.