Vielleicht erinnert Ihr Euch an unsere Artikelserie über die Castelli (Burgdörfer) von Arcevia. Auch rund um Ancona gab es einen Verteidigungsgürtel aus befestigten Dörfern zwischen den Flüssen Esino und Musone. Um Ancona auf dem Landweg einzunehmen, musste man daher zunächst mehrere Castelli erobern, darunter Agugliano. Polverigi, Offagna usw.
Das Gebiet wird auch La Terra dei Castelli oder die Gegend der Burgdörfer genannt. Auf dem Weg nach Ancona oder zum Monte Conero könnt Ihr alternativ zur üblichen Anreise einen schönen Abstecher dorthin machen. In diesem Artikel stellen wir Euch zunächst einmal 3 dieser Castelli vor: Camerata Picena, Il Cassero und Castel d’Emilio.
Camerata Picena.
Camerata Picena wurde bereits im Jahr 1100 in den Annalen erwähnt, aber Bekanntheit erlangte es vor allem 1309, als sich ein Teil der Einwohner auf die Seite von Jesi und der andere Teil auf die Seite von Ancona stellte. Denn Ancona und Jesi befanden sich seit 1309 für fast zwei Jahrhunderte lang im Dauerkrieg. Die Jesini eroberten und zerstörten schließlich das Castellum. Im Jahr 1390 wurde es aber zusammen mit Einwohnern aus der Gemeinde Genga wieder aufgebaut.
Ab 1863 durfte die Gemeinde das Wort Picena hinzufügen, um sich von anderen Gemeinden mit dem Namen Camerata zu unterscheiden.
Zwischen 1928 und 1947 war sie Teil der Gemeinde Chiaravalle, bevor sie wieder unabhängig wurde.
Besuch von Camerata Picena:
Bloggerfreundin Isabelle und ihr Mann Erik haben Camerata Picena für Euch besucht:
Außerhalb des historischen Zentrums konnten sie ihr Auto gut parken. In der Stadtmauer befindet sich die Grotte Castellane, ein Durchgang, durch den man über eine Treppe in das Zentrum von Camerata gelangt.
Unerwartet fanden sie sich direkt im Herzen des historischen Zentrums wieder: auf der Piazza. Sie waren auch nicht alleine dort, denn die Bewohner probten gerade für ein Theaterstück, das in Kürze aufgeführt werden sollte. 2022 wurde hier eine lokale Theatergruppe, das Teatro Sociale e di Comunità (Sozial- und Gemeinschaftstheater), gegründet, bei der zahlreiche Bewohner mitwirken.
Die Kirche Chiesa della Natività della Beata Vergine Maria (Kirche der Geburt Mariens) erwies sich als geschlossen, wie es leider zu oft in kleinen Dörfern der Fall ist. Auf dem Platz schien zumindest noch ein Lebensmittelgeschäft zu existieren, und neben der Fußgängerbrücke der Stadt erblickten sie das Rathaus im Palazzo Scalamonti.
Dort konnten die beiden sogar hinter der Kirche herumlaufen.
Ein nettes kleines Dorf! Doch die beiden zog es weiter zum nächsten Castello und so fuhren sie zur Gemeinde Il Cassero.
Il Cassero.
Im kleinen Burgdorf Il Cassero konnten sie wiederum direkt an der Stadtmauer parken und das Zentrum mit wenigen Schritten erreichen.
Im Jahr 1377 wurde hier im Auftrag des Grafen Nicolò Toriglioni von Ancona eine Burg errichtet. Schon bald erhielt das Gebäude militärische Aufgaben, sodass 3 Türme zur Kommunikation mit den umliegenden Burgdörfern hinzugefügt wurden. Die Burg blieb bis ins 19. Jahrhundert im Besitz dieser Adelsfamilie, bis sie unter verschiedene Besitzer aufgeteilt wurde. Heute kann man jedoch nur noch einen Turm und den Innenhof sehen. Auch die Stadtmauer selbst wurde im Laufe der Jahre abgesenkt.
Erkundung von Il Cassero
Isabelle und Erik gingen zunächst um die zwar sehr kleine, aber imposante Stadtmauer herum.
Ein kleines Holzschild mit Text erregte ihre Aufmerksamkeit:
Am 18. Juli 1944 marschierten italienische Truppen zusammen mit den Alliierten auf Ancona zu. In der Folge kam es in der Gegend zu heftigen Kämpfen. Den Bewohnern von Il Cassero wurde daher geraten, in ihren Häusern zu bleiben. Die Großmutter der Autoren des Textes wollte jedoch kurz nachsehen, ob das Brot im Gemeinschaftsofen fertig war. Sie befahl dem Rest der Familie, im Haus zu bleiben. Der Großvater war jedoch zu neugierig auf all die Panzer und Soldaten und ging trotz der Warnung mit nach draußen. Er versteckte sich hinter einem Baum und versuchte, nichts von den Kämpfen zwischen den Nazis und den Alliierten zu verpassen. Der Schrapnell eines Kanonenschusses erwies sich jedoch als tödlich für ihn.
Zum 80-jährigen Gedenken an diesen schicksalhaften Tag brachten die Enkelkinder diese Gedenktafel mit der Geschichte an.
Die beiden hielten noch einen Augenblick inne und ließen die Geschichte auf sich wirken. Schließlich erreichten sie den Eingang zum Innenhof des ehemaligen Castellum. Der war sehr klein, aber es gab viele Details.
Wieder mal hatten sie einen besonderen Ort entdeckt!
Daher beschlossen sie, noch ein weiteres, nicht weit entferntes Castellum (Burgdorf) zu besuchen: Castel d’Emilio.
Castel d’Emilio.
„Sehen sich diese Castelli nicht eigentlich sehr ähnlich?“, könntet Ihr nun fragen? Nein, ganz und gar nicht! Genau das machte die Tour übrigens so interessant: Jedes Burgdorf hatte seine eigenen charakteristischen Merkmale.
Castel d’Emilio gibt es schon sehr lange, denn bereits im pergamentenen bayerischen Codex von 968 wurde seine Existenz erwähnt! (Der Codex stammt eigentlich aus Ravenna, wird aber merkwürdigerweise bayerischer Codex genannt, weil er sich im Besitz der bayerischen Staatsbibliothek befindet). Wie die anderen Borgdörfer in der Gegend bildete auch Castel d’Emilio eine Verteidigungsfestung um Ancona. Nach der Einigung Italiens wurde es Teil von Agugliano.
Erkundung des Castel d’Emilio.
In Castel d’Emilio könnt Ihr am besten direkt am Ortseingang parken und dann zum Stadttor gehen. Isabelle genoss erstmal die schöne Aussicht, die sie von hier hatte. Die Stadtmauer wurde wiederholt renoviert, aber die wichtigsten Renovierungen fanden im 15. Jahrhundert unter dem berühmten Architekten Baccio Pontelli statt. Er entwarf zum Beispiel auch die Rocca in Senigallia und zahlreiche Kirchen in Rom. Außerdem ist er als Künstler der wunderschönen Holzintarsien im Herzogpalast von Urbino bekannt.
Drinnen angekommen, fiel Isabelle sofort das interessante Stadtwappen der Gemeinde auf, das sich überall im Ort auf Schildern wiederfand. Leider konnte sie seinen Ursprung nicht herausfinden.
Isabelle und Erik schlenderten daher weiter durch das historische Zentrum, wo sie überall an den Häusern Schilder entdeckten, die auf alte Straßennamen oder besondere Orte hinwiesen. Der Geheimgang war aber scheinbar so geheim, dass sie ihn garnicht erst fanden. Und die sogenannte schmutzige Gasse entpuppte sich als sehr sauber!
Am Stadttor selbst stand einst ein Palazzo aus dem 17. Jahrhundert, der jedoch durch das Erdbeben von 1972 zerstört wurde. Dieses Erdbeben beschädigte übrigens auch einige Stadtteile von Ancona.
Bedauerlicherweise konnte Isabelle die Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die sich außerhalb der Stadtmauern befindet, nicht besichtigen, da gerade eine Beerdigung stattfand. So blieb ihr nur übrig, ein Foto des Portals aus dem 14. Jahrhundert zu machen.
Danach traten die beiden die Heimreise an. Beim nächsten Mal wollen sie die nächsten Castelli, wie zum Beispiel Agugliano und Polverigi besuchen.
Fazit:
Isabelle war angenehm überrascht, dass die Castelli so unterschiedlich waren. Aber alleine schon der Weg dorthin durch die malerische Umgebung machte eine solche Burgentour lohnenswert!
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