Ecco Le Marche

Wer die A14 von Norditalien Richtung Marken fährt, sieht ihn schon von Weitem: den mächtigen Felsen von San Leo, der mit seiner eigenwilligen Form die Umgebung überragt.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:San_Leo,panorama(06).jpg

San Leo: von den Marken zur Emilia-Romagna.

„Moment!“ – könntet Ihr jetzt sagen, „San Leo liegt gar nicht in der Region Marken, warum schreibt Ihr darüber?“. Nun, es ist ein tolles Ausflugsziel, das man leicht von den nördlichen Marken aus erreichen kann. Und San Leo gehörte seit der Einheit Italiens im 19. Jahrhundert zu den Marken und wurde erst im Jahre 2009 der Region Emilia-Romagna zugeordnet.

Geschichte von San Leo.

Der Berg, auf dem das heutige San Leo siedelt, war schon unter den Römern als „Mons Feretrius“ (daraus ableitend der Name Montefeltro) bekannt, weil dort ein Tempel stand, der dem Giove Feretrio (Jupiter) gewidmet war. Im 4. Jh. ließ sich der dalmatische Steinmetz Leo zusammen mit seinem Weggefährten Marino (nach dem das benachbarte San Marino benannt ist) hier nieder und die beiden trugen erheblich zur Christianisierung der Gegend bei. Im Jahre 1000 wurde der Ort nach ihm offiziell San Leo genannt und der Name Montefeltro blieb als Begriff für die ganze Gegend.

Im 10. Jahrhundert wurde San Leo Bischofssitz, aber richtig mächtig und berühmt wurde die Stadt im Mittelalter, als eine Herrscherfamilie San Leo zu ihrem Stammsitz erklärte: die Montefeltro. Der Ort war viel umkämpft und neben den Montefeltro kamen auch mal die Malatesta, die Medici und die Della Rovere an die Macht. 1631 wurde San Leo Teil des Kirchenstaates und die Gegend blieb über Jahrhunderte stabil.

Elke und Otto besichtigen San Leo.

Der italienische Schriftsteller Umberto Eco bezeichnete den Ort einmal augenzwinkernd als die schönste Stadt Italiens und charakterisierte sie mit „Eine Burg und zwei Kirchen“. Und das meinte er damit:

  • Die Kathedrale, dem Hl. Leo gewidmet.
  • Die Volkskirche Pieve Santa Maria Assunta, das älteste religiöse Gebäude der Gegend.
  • Und die imposante, weitläufige Festung, die Rocca.

Eines schönen Maitages fuhren wir also die einzige Zufahrtsstraße nach San Leo hinauf. Wir parkten auf dem ausgewiesenen Parkplatz unterhalb des kleinen Ortskernes und begaben uns zu den Sehenswürdigkeiten.

Die Kathedrale.

Unübersehbar die Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert, die auf einem kleinen Felsen steht. Etwas ungewöhnlich, denn das Portal befand sich an der südlichen Seite der Fassade, nicht an der Front, wie sonst üblich. Der Altar sollte nach Osten, nach Jerusalem, gerichtet sein und bestimmte dadurch die Position auf dem Felsen. Dadurch war aber ein Portal an der Front nicht möglich.

Im Innenraum der romanischen Kirche fiel uns direkt der erhöhte Altar auf, zugänglich über eine breite Steintreppe. Aber besonders interessant waren die insgesamt 70 kleinen Reliefs an den Säulen: Sie sollten den Gläubigen, die damals oft nicht lesen konnten, die Welt erklären.

Wir entdeckten unter anderem vergoldete Statuen der Madonna mit dem Rosenkranz und des heiligen Leo aus dem Jahre 1600 und das Bildnis der Madonna mit dem Apfel von Catarino Veneziano aus dem 14. Jh.

Dann stiegen wir hinab in die Krypta, dem ältesten Teil des Doms, unterteilt durch römische Säulen und romanische Pfeiler. Hier gibt es einige Grabstätten der adeligen Familien, aber vor allem die Deckplatte des Sarkophags des Hl. Leo. Der ist aber seit dem Jahre 1016 leer, weil Heinrich der Fromme die Gebeine Leos wegbrachte. Sie liegen heute in einem Heiligtum in Norditalien. Aber immerhin blieb ein Stück des Schädels als Reliquie und wir sahen ein vergoldetes Bild San Leos.

Pieve Santa Maria Assunta

Als Nächstes wollten wir uns die Pieve (Volkskirche) der Santa Maria Assunta ansehen, die sich direkt gegenüber des Doms, mitten im Ortszentrum, befand. Es ist die älteste Kirche der ganzen Montefeltro-Gegend. Sie ist der auferstandenen heiligen Maria gewidmet und stammt aus dem 9. Jahrhundert, also aus karolingischer Zeit! An gleicher Stelle soll der hl. Leo bereits im 4. Jahrhundert ein Kirchlein zu Ehren Mariens erbaut haben.

Auch hier traten wir durch einen Eingang an der Seite ein; der felsige Untergrund erlaubte wohl keinen Front-Eingang. Beachtenswert war hier wieder der erhöhte Chorraum mit Altar sowie der schneeweiße Baldachin, im 9. Jahrhundert vom Herzog Orso gestiftet. Aber ich fand die dunkle Holzdecke am schönsten.

Wir konnten in die Krypta hinabsteigen, wo sich eine Statue der heiligen, auferstandenen Maria befand, die 2008 zum 150-jährigen Jubiläum der Erscheinung von Lourdes aufgestellt wurde.

Wieder im Tageslicht, gönnten wir uns in der zentralen Bar neben der Kirche eine kleine Erfrischung und genossen die Atmosphäre des kleinen Ortskerns.

Die Rocca von San Leo.

Danach stiegen wir zur Festung, der Rocca, auf.

Man konnte auch mit einem Shuttlebus, der in regelmäßigen Abständen auf der Piazza im Ortszentrum hält, hinauffahren. Aber wir waren zu geizig und gingen die 600 Meter zu Fuß. Oben angekommen gab es einen Ticketautomaten, bei dem wir das Eintrittsgeld von 10 EUR pro Person entrichten konnten.

Geschichte der Rocca.

Die Festung wurde schon im 6. Jahrhundert errichtet und war im 14./15. Jahrhundert heftig umkämpft, bis sie 1441 von Federico da Montefeltro endgültig erobert wurde. Federico engagierte einen berühmten Militärarchitekten der Renaissance, Francesco di Giorgio Martini, um die Burg nach allen Regeln der damaligen Militärkunst um- und auszubauen. 1631 wurde San Leo in den Kirchenstaat integriert und Teile der Festung als Gefängnis genutzt. Der wohl prominenteste Gefangene war der Graf Cagliostro, der hier bis zu seinem Tode einsaß. Bis 1914 wurde die Rocca weiter als Gefängnis genutzt. Heute ist sie Museum und Touristenattraktion.

Besonders beeindruckte uns die Größe der Festung, die viele Gebäude und einen weitläufigen Exerzierplatz umfasste, der Anfang des 20. Jahrhunderts sogar noch von einer Militäreinheit genutzt wurde.

Dazu kam die wunderbare Aussicht auf San Leo und die umliegende Landschaft, die sich von hier aus bot:

Die kargen Zellen des Gefängnisses konnten durch schmale Türen und Öffnungen begangen werden.

Graf Cagliostro.

Wobei am spannendsten natürlich die Spuren Cagliostros waren.

Cagliostro, mit bürgerlichem Namen Giuseppe Balsamo, war ein Alchimist, Hochstapler und Scharlatan, der 1743 in ärmlichen Verhältnissen in Palermo zur Welt kam. Als selbsterfundener Graf Alessandro Cagliostro bereiste er viele Länder, wie Griechenland, England und Frankreich. Er war sogar Gast am Zarenhof Katharinas der Großen. In London trat er einer Freimaurerloge bei und erfand einen sogenannten ägyptischen Ritus, der bei spiritistischen Sitzungen angewandt wurde. Lang war die Liste seiner berühmten Gönner und später Geschädigten, und er soll sogar in die Halsbandaffäre um Marie-Antoinette von Frankreich involviert gewesen sein.

Im September 1789 wurde er von der päpstlichen Polizei in Rom verhaftet. Nach einem spektakulären Prozess, in dem er noch versuchte, eine Verschwörung der Illuminaten zu seinen Gunsten vorzubringen, wurde er zunächst zum Tode verurteilt und in der Engelsburg eingekerkert. Später wandelte man diese Strafe in lebenslange Haft um und er wurde in die Festung von San Leo verbracht, wo er 1795 an zwei Schlaganfällen verstarb.

Sein Gefängnis war eine Art Hochsicherheitstrakt: Es hatte keine Fenster und Türen, sondern nur ein Loch in der Decke, durch das er hineingelassen wurde und durch das er versorgt wurde. Man hatte Angst, er könne sich andernfalls befreien oder sich seine Wärter mittels Hypnose zu Willen machen.

Einige Räume der Burg waren ihm und seinem alchimistischen Tun gewidmet:

Waffensammlung und militärische Bedeutung der Festung von San Leo.

Die Waffensammlung und die Ausstellung über die militärische Bedeutung und die Belagerung und Verteidigung San Leos fanden wir dagegen persönlich weniger interessant und schauten sie uns nur kurz an:

Wenn ich nun den Artikel Revue passieren lasse, fällt mir auf, wie unglaublich viel es in diesem wirklich kleinen Ort San Leo zu sehen gab. Fahrt mal hin, wenn Ihr könnt!

Weitere Information:

Auf der Tourismus-Seite von San Leo findet Ihr mehr Informationen zu den verschiedenen Öffnungszeiten und Eintrittspreisen und weitere Informationen zum Besuch San Leos – leider nur auf Italienisch.


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