Radsportfans fiebern schon dem 6. Mai entgegen, wenn der diesjährige Giro d’Italia startet. Am 17. Mai führt die 10. Etappe von Pescara aus in die Marken und endet in unserem Nachbarort Jesi!
Zusammen mit Freunden bin ich schon Ende der 80er Jahre Rennrad gefahren, allerdings auf absolutem Hobbylevel und mit einem Rennrad mit Stahlrahmen und Körbchen an den Pedalen. Natürlich haben wir uns regelmäßig unsere Helden der Tour de France, der Vuelta und des Giro d’Italia im Fernsehen oder live angesehen.
Ende der 1990er Jahre waren unsere Helden dann Jan Ullrich und Marco Pantani (1970-2004), von denen Ullrich 1997 die Tour de France gewann und Pantani 1998 sowohl die Tour de France als auch den Giro d’Italia. Absolute Ausnahmesportler, denen eine große Radkarriere bevorstand. Dann kam Lance Armstrong, räumte von 1999 bis 2005 alle Tour-Siege ab und hinterließ einen schalen Beigeschmack von Doping, der seine Schatten auch auf Ullrich und Pantani warf. Armstrong und Ullrich haben irgendwann, 2013 bzw. 2014, das Doping zugegeben und ihnen wurden ihre Siege aberkannt, aber Pantani hat es Zeit seines Lebens bestritten, stürzte in tiefe Depressionen und starb 2004 unter sehr mysteriösen Umständen in einem Hotelzimmer in Rimini an einer Überdosis Kokain. Ob er sich selber umgebracht hat oder ob er ermordet wurde, um ihn zu hindern, über Dopingmachenschaften oder die Kokainmafia auszusagen, ist bis heute ein großes Rätsel.
Die Fans jedenfalls hält es nicht davon ab, ihn weiter zu verehren: In seinem Wohnort Cesenatico, wo er mit 11 Jahren in den Radsportclub GC Fausto Coppi eintrat, gibt es ein Pantani-Museum und die Radtourenfahrt Pantanissima zu seinem Andenken. Und beim Cippo in der Nähe des Monte Carpegna, legten sie zu seinen Ehren eine Pantani-Strecke an. Der Cippo befindet sich im Naturpark Sasso Simone e Simoncello, der teilweise in der Region Marken und teils in der Emilia Romagna liegt.
Isabelle wollte sich das einmal anschauen und so fuhr sie mit ihrem Mann Erik die Strecke ab, aber – geschummelt! – zunächst mit dem Auto:
Sie fahren entlang der Via Cippo in Richtung Gipfel. Mit dem Auto kommt man bis zum Campingplatz Il Cippo auf eine Höhe von ungefähr 1000 Metern, der Rest bis zum 1358 Meter hohen Gipfel ist Wanderern und Radfahrern vorbehalten. Insgesamt enthält die Strecke 22 Kurven.
Unterwegs entdecken sie zahlreiche Huldigungen an den Piraten, wie Pantani auch genannt wurde, weil er schon damals häufig ein Piratentuch trug.
Die beiden sind froh, dass sie die Strecke nicht per Fahrrad in Angriff genommen hatten, denn es gibt sehr steile Abschnitte. Aber das Panorama ist überwältigend!
Warum wird il Pirata genau hier geehrt? Weil der berühmte Radfahrer einmal die Worte Il Carpegna mi basta! (Der Carpegna ist für mich ausreichend!) gesagt haben soll. Er ziehe es vor, dort zu trainieren und nicht irgendwo anders. Pantani wurde in der Region Emilia Romagna geboren und lebte und trainierte in Cesenatico, so dass dies seine „Hausstrecke“ war. Auch die Radrennen Giro und Tirreno-Adriatico führen häufig über diese Strecke.
“Quando esco in allenamento da solo, ed è il più delle volte, questo è uno dei giri che amo. Fino a San Marino niente di speciale. Ma da lì in avanti comincia il bello. Strade tranquille, tracciato nervoso. Con continui saliscendi. E qualche severa impennata. La prima è quella che, passato Montemaggio, va su a San Leo. E da lì alla Madonna di Pugliano e al successivo valico. In una decina di chilometri si sale fin quasi a 1000 metri. Ma la salita più impegnativa della giornata non è questa. È la successiva. Quella che da Caturchio si arrampica sul Monte Carpegna. Nella parte iniziale non è molto ripida. È tra il 6 e l’8 %. Il tratto più duro arriva passato il paese di Carpegna. Sono sei, sette chilometri con pendenza media del 10 %. Gli ultimi due, fin sotto la vetta a 1360 metri sul mare, li chiamiamo il Cippo e sono i più ripidi, sul 12 %. Certo, questa non è una salita come quelle delle Alpi che mi hanno reso famoso. Ma per allenarmi bene il Carpegna mi basta, e come.”
Marco Pantani
Wenn ich alleine trainiere, und das ist es die meiste Zeit, ist dies eine der Runden, die ich liebe. Bis San Marino nichts Besonderes. Aber von da an wird es schön. Ruhige Straßen, nervöse Strecke. Mit ständigen Höhen und Tiefen. Und einige heftige Anstiege. Der erste ist derjenige, der via Montemaggio hinauf nach San Leo führt. Und von dort nach Madonna di Pugliano und zum nächsten Pass. Innerhalb von etwa zehn Kilometern geht es auf 1000 Meter hoch. Aber das ist nicht der anspruchsvollste Anstieg des Tages. Es ist der nächste. Derjenige, der von Caturchio zum Monte Carpegna hinaufklettert. Im ersten Teil ist es nicht sehr steil. Es liegt zwischen 6 und 8 %. Der schwierigste Teil kommt nach dem Dorf Carpegna. Es handelt sich um sechs oder sieben Kilometer mit einer durchschnittlichen Steigung von 10 %. Die letzten zwei Kilometer bis zum Gipfel auf 1360 Metern Höhe nennen wir Cippo und sie sind mit 12 % am steilsten. Natürlich ist das keine Kletterei wie in den Alpen, die mich berühmt gemacht haben. Aber um gut zu trainieren, reicht mir der Carpegna, und wie!
Marco Pantani
Übrigens ehrt ihn der Giro d’Italia jedes Jahr, indem sie die jeweils schwierigste Bergetappe Monte Pantani nennen. Der anderen italienischen Radfahrerlegende, Fausto Coppi, ist die höchste Bergetappe, der Monte Coppi, gewidmet.
Beim Campingplatz Il Cippo halten Erik und Isabelle und parken im Schatten des Waldes.
Hier steht das Denkmal zu Ehren Pantanis, das vom lokalen Künstler Francesco Maria Tigli geschaffen wurde.
Ab hier geht es nur noch zu Fuss oder per Rad weiter bis zum Gipfel und es liegen noch 13 weitere Kehren vor den Beiden! Den ersten Teil nennen sie Fuga di Merckx (Merckx Flucht), eine Anspielung auf den belgischen „Kannibalen“ Eddy Merckx, der hier während des Giro 1973 den spanischen Bergspezialisten Jose Manuel Fuente hinter sich ließ, der sich wiederum im nächsten Jahr an genau dieser Stelle an dem belgischen Spitzenfahrer rächte.
Die letzten Kilometer, l’Ascesa al Cielo (Aufstieg zum Himmel) genannt, enden an einem überlebensgroßen Bild von Pantani mit der Aufschrift Questo è il cielo del pirata (dies ist der Himmel des Piraten).
Der Platz „Cippo“ ist übrigens nach der faschistischen Cippus- oder Steinsäule genannt, die 1930 hier zum Gedenken an Mussolinis Neffen errichtet wurde, der im Alter von nur 20 Jahren starb. (Sie hat nichts mit dem Andenken an Pantani zu tun, aber Isabelle hat die Säule zufällig dort entdeckt und damit herausgefunden, warum der Ort so heißt.)
Auch wer nichts mit Radsport am Hut hat, wird diese Tour wegen der schönen Aussichten interessant finden! Wer sich fürs Radfahren interessiert, findet hier ein absolutes Stück Radsport-Geschichte!
1 Kommentar
Michael Mathar · 11 Mai 2022 um 12:49
Hi Elke,
passend zum Giro und zu meiner anstehenden Italienreise ein sehr schöner Einstieg in die Radsportwelt und die wunderschöne Landschaft mit tollen Bildern. Die 22 und mehr Tornante und die anwachsenden Steigungen sind wohl eher etwas für die beiden Freunde, mit den Du vor 30 Jahren in der Toskana unterwegs warst. Und irgendwie muss man ja auch wieder den Berg runter; das wäre für mich ein absolutes Greuel und nichts für meine Hände, die dann ständig die Bremshebel drücken würden.
Schau Du Dir gerne die 10. Etappe an, ich werde mir ja vielleicht die 11. irgendwo zwischen San Arcangelo und Cesena ansehen.
Ciao
Michael