Ich liebe den Passetto von Ancona, den einfachen Strand der Anconetaner, der unterhalb von Ancona so pittoresk mit seinen bunten Fischerhütten lockt. Diese Hütten sind eigentlich Grotten, die seit dem 19. Jahrhundert von Generationen von Fischern in den Fels gehauen wurden und als Bootsgaragen, Fischerhütten, Küchen, Lager- und Werkstätten und Aufenthaltsräume der Fischer dienten. Einige, ganz wenige von diesen Fischerfamilien, die wegen der Grotten Grottaroli genannt werden, sind noch übrig. Die anderen der um die 100 Grotten gehören Anconetanern oder werden von ihnen gepachtet und als Strandhütten genutzt.
Die aus Ancona stammende (und heute in Amsterdam lebende) Künstlerin Cecilia Pignocchi und ihr französischer Kollege Arthur Couvat haben einen wunderschönen, manchmal etwas melancholischen, aber am Ende auch fröhlichen Kurzfilm über diese womöglich letzte Generation der Grottaroli gedreht. Der Film hatte seine Premiere 2021 auf dem berühmten Tribeca Film Festival in New York, das unter anderem von Robert de Niro gegründet wurde und das inzwischen größer als das Sundance Film Festival ist. Seitdem kann man den Trailer zum Film sehen und seit diesem Jahr auch den gesamten, 14-Minütigen Film bei Vimeo anschauen – mit englischen Untertiteln. Er ist kostenlos, aber man muss sich bei Vimeo registrieren (geht mit email oder google oder facebook account). Es lohnt sich!
Der Film zeigt die handvoll Grottaroli, die heute alle in ihren 70er bis 80er Lebensjahren sind und die am Passetto fischen, kochen und liebevoll ihre Grotten instand halten. Sie erzählen unter anderem, dass sie ohne das Meer nicht leben können, wie sie mit ihren Vätern damals die Grotten gegraben haben, was sie gefischt haben und dass sich die Familien alle kannten. Dabei wirken sie wie aus der Zeit gerissen, mit 70er Badehose und Goldkettchen und der Grotten-Einrichtung mit Wachstuchtischdecke und alter Anrichte.
Der Passetto ist auch heute noch bei den Anconetanern sehr beliebt. Er wirkt für mich authentischer und lebendiger als der typisch-Italienische Palombina-Strand nördlich von Ancona oder die westlich gelegene, kristallklare Portonovo-Bucht mit feinen Restaurants. (Keine Frage, dass Palombina und Portonovo ihre Reize haben, aber eben anders als der Passetto). Allenfalls der Scalaccia-Strand südlich des Passetto soll ähnlich sein, mit Fischerhütten und einer steilen Treppe, die dem Strand den Namen gab.
Im Film berichtet einer der Fischer, wie sie damals noch die Steilküste herunter klettern mussten, um den Passetto zu erreichen und die Ziegel für den Ausbau der Hütte per Boot anlanden mussten.
Heute gibt es eine breite Treppe, die zu faschistischen Zeiten angelegt und vom Meer aus wie ein Adler aussieht, mit dem Gefallenen-Denkmal als Krönchen auf dem Adlerkopf. Nicht ganz mein Stil – eine einfachere Treppe hätte den Auf- und Abstieg ebenso erleichtert. Sie befindet sich am Ende der Viale della Vittoria, einer breiten, baumbestandenen Allee.
In der Hauptsaison gibt es sogar einen Aufzug, den Ascensore, für den man entweder 1 EUR Kleingeld bereithalten muss oder vorher oben in einem Tabacchi-Laden ein Ticket kaufen muss (stimmt nicht ganz, wir hatten letztens kein Ticket und kein Kleingeld dabei und der nette Aufzugführer hat uns trotzdem mitgenommen!). Der ursprüngliche Aufzug ist aus den 50er Jahren, allerdings wurde er im Jahre 2017 für 2,4 Millionen Euro aufwendig saniert und ist ein echter Hingucker geworden.
Die Grottaroli kann man schonmal beobachten, wie sie die Moscioli (eine wilde Miesmuschelart, siehe auch unseren früheren Beitrag dazu) aus der Bucht holen und direkt am Strand zubereiten, oder die Meeresschnecken, die Bombole, die man nach dem Kochen kunstfertig aussaugen muss, wie mir eine waschechte Anconetanerin erklärte. Letztes Mal sahen wir eine Familie draußen vor einer der Grotten am Tisch zu Abend essen – die Wachstuchtischdecke natürlich dabei. Aber es gibt auch ein einfaches, authentisches Restaurant, das auf Stelzen übers Wasser gebaut ist, das Luna al Passetto. Wir waren dort einmal an einem stürmischen Spätsommerabend, wo uns das Wasser bis auf die hölzerne Terrasse direkt vor die Füße spritzte. Unvergesslich!
Wer nicht direkt am Aufzug baden möchte, der kann ein paar Meter weiter gehen zum Seggiole del Papa, dem Papst-Thron, wie die Badefelsen genannt werden, die aus dem Wasser ragen.
Wieder oberhalb des Passetto angekommen, gibt es einen netten bewirtschafteten Kiosk, wo man sich mit Eis, Kaffee oder Aperitif versorgen kann und von dessen Tischen aus man einen herrlichen, nahezu 180-Grad-Blick auf das Meer hat.
Oberhalb des Aufzuges hat dieses Jahr auch das Restaurant „L’Ascensore“ wieder eröffnet, mit Plätzen drinnen im Aufzuggebäude und einer Terrasse draußen. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber die Speisekarte sieht sehr vielversprechend aus. Wer von Euch hingeht, der schreibt mir mal, wie es war!
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