Goldrausch in den Marken? Nein. Schwefelrausch! Die historische Schwefelmine Cabernardi bei Sassoferrato ist ein spannendes Ausflugsziel, das einem ein Stück marchigianischer Industriegeschichte näherbringt.
Laura, Isabelle und ich hatten letztes Jahr einen fantastischen Nachmittag bei der Besichtigung des archäologischen Minenparks bei Cabernardi, unter sachkundiger und sehr empfehlenswerter Führung des Happennines Teams.
Schon bei der Annäherung an das Gelände fiel uns die bizarre, karge Mondlandschaft auf, die durch den säurehaltigen Schwefel in der Erde entstanden war, und in krassem Gegensatz zu den umliegenden, typisch grünen Hügeln der Marken stand.
Cabernardi liegt in einem großen sogenannten Schwefelbecken, das wohl vor fast 6 Millionen Jahren entstanden ist, als das Mittelmeer mit seinen am Boden abgelagerten Sedimenten fast ausgetrocknet war.
Schwefel, wenngleich schon in der Antike bekannt, wurde im 19. und 20. Jahrhundert immer begehrter und wurde zum Düngen, Konservieren von Lebensmitteln, in der Medizin, aber vor allem als Schießpulver genutzt.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen in Italien die Schwefelgruben zu boomen. Um 1890 wurde mehr als 90 % des weltweiten Schwefelbedarfs aus Italien gedeckt, mit der Grube in Cabernardi als einem der großen Lieferanten, neben Sizilien und Emilia Romagna.
Entdeckt wurde das Schwefelvorkommen von einem Bauern, der sich wunderte, dass sich seine Kühe weigerten, aus den Teichen in diesem Gebiet zu trinken. Er holte den Pastor des Ortes, der wohl recht schnell verstand, warum.
Die ersten Bergarbeiter kamen wohl um 1870 nach Cabernardi, aber erst 1917, als die große Bergbaugesellschaft Montecatini die Grube zu einem sehr günstigen Preis kaufte, wurde sie eine der produktivsten in ganz Europa. Die Arbeit in den Schwefelgruben war unglaublich hart und gesundheitsschädigend, aber gleichzeitig war sie damals äußerst gut bezahlt. So wuchs Cabernardi sehr schnell zu einem eigenen Dorf mit Wohnungen und Geschäften (fast wie im Wilden Westen die Goldgräberstädte).
Das Bergwerksgelände umfasste um die 1000 Hektar, inklusive Ställen für die Nutztiere, Werkzeugkammern, Umkleideräumen für die Bergleute, sowie Vorratsräume für die Nahrung für Mensch und Vieh.
Das goldene Zeitalter brach für Cabernardi in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts an – der 2. Weltkrieg brauchte Schießpulver und Munition. Um die 300 Bergleute arbeiteten zu der Zeit in 8-Stunden Schichten. Wegen der großen Nachfrage gab es keinen Urlaub, denn die Grube musste 24 Stunden am Tag in Betrieb sein, um den Bedarf zu decken. Nur am 4. Dezember war frei: der Tag der heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute (und Feuerwehrleute).
Heilige Barbara mit schwefelhaltigem Gesteinsbrocken
In den 50er Jahren flaute die Nachfrage an Schwefel schlagartig ab: Der 2. Weltkrieg war zu Ende und gleichzeitig gab es in Kanada neuartige Verfahren, die den Schwefelabbau effizienter machten. Die Grube Cabernardi sollte 1952 geschlossen werden. Die Arbeiter verschanzten sich 40 Tage lang in einem Stollen unter Tage und erlangten zumindest einen Teilerfolg: Die Mine schloss erst 1958 und etliche Arbeiter fanden neue Arbeit in anderen Bergwerken.
1986 öffnete das Museum von Cabernardi und 2015 wurde das gesamte Bergwerksgelände zum archäologischen Park umgewandelt. Wenn man ihn betritt, ist es, als würde man in der Zeit zurückgehen und als könne jederzeit ein Bergmann hinter dem Grubenturm hervorkommen.
Grubenturm
Der Turm war mit 18 Metern die erste große Betonstruktur in Italien und ist heute das Wahrzeichen der Mine.
12 Bergleute konnten gleichzeitig in die Stollen einfahren, um den Schwefel aus einer der sich über 80 km (!) erstreckenden Schächte zu holen. Es gab bis zu 21 Sohlen, sodass die Mine bis zu 900 Meter in die Tiefe ging.
Das abgebaute Schwefelgestein musste erst geschmolzen werden, um den Schwefel auszukochen. Hierfür wurde der sogenannte Calcharone-Ofen benutzt: Das Gestein wurde in einem riesigen, aus Backsteinen gebauten Schmelzofen entzündet und musste bis zu 4 Monate darin verbleiben, bis der Schwefel extrahiert war. Danach wurde die gesamte Backsteinkonstruktion abgerissen, um an den Schwefel zu gelangen.
Alternativ gab es den „Gill“-Ofen, auch eine Backsteinkonstruktion, aber aufgeteilt in mehrere kleinere gemauerte Zellen, die miteinander verbunden waren. Die erlaubten eine bessere Wärmerückgewinnung. Außerdem gab es dabei Schächte, wo die giftigen Schwefeldämpfe abziehen konnten.
Die Öfen zum Schmelzen des Schwefelgesteins
Die Arbeit war hart und gefährlich, sodass insgesamt 131 Bergleute starben. Die Arbeit an den Schmelzöfen war besser bezahlt, aber sie war wegen der Schwefeldämpfe so gesundheitsschädlich, dass die Arbeiter lieber in den Abbau-Schächten der Grube unter Tage arbeiteten.
Immerhin gab es einen Vorteil für Cabernardi: Bei den Fußball-Turnieren, die auf dem Platz neben dem Grubengelände stattfanden, gewann meist das Team von Cabernardi: sie waren an den Schwefelgeruch gewöhnt, der immer über dem Platz lag!
Am Ende des Rundgangs gibt es eine Videopräsentation mit historischen Aufnahmen der Grube.
Es gibt das ganze Jahr über Führungen zu festgelegten Zeiten. In der Nebensaison allerdings nur an Wochenenden.
Hier gibt es mehr Informationen über die Öffnungszeiten, allerdings nur auf Italienisch: Miniera di Zolfo
Und hier über geführte Touren von Happennines: Happennines
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