Ecco Le Marche

Vergangenes Jahr über Ostern hatten wir lieben Besuch aus Deutschland. Neben Meer und etwas wandern wollten wir auch einige für Ostern typische Aktivitäten unternehmen. So war schnell entschieden: wir fahren nach Sassoferrato, um uns dort das Passionsspiel am Karfreitag anzusehen, denn das sollte besonders eindrucksvoll sein.

Es gibt in etlichen Orten der Marken sowie weltweit in christlich geprägten Gegenden Passionsspiele und Karfreitagsprozessionen. Das schon seit 1954 existierende Passionsspiel von Sassoferrato ist aber sehr bekannt und beliebt, nicht zuletzt weil der obere Ortskern, das „Castello Viertel“, mit seinen alten alten, engen Gassen und Treppen alleine schon sehr beeindruckend ist und eine tolle natürliche Kulisse für die Aufführung bietet. Schließlich zählt Sassoferrato zu einem der 300 schönsten Dörfer Italiens (Borghi piu belli d’Italia), über das wir in einem früheren Artikel bereits berichtet haben (link).

Sassoferrato
Sassoferrato

Die Inszenierung ist für eine gerade mal 7000-Seelen Gemeinde sehr aufwendig, sind doch rund 100 Schauspieler beteiligt, dazu unzählige Helfer, die sich um Technik, Kostüme, Kulissen und Sicherheit kümmern. Gefühlt ist der ganze Ort beteiligt. Das Tolle ist: das Spiel findet nicht auf einer Bühne, sondern an 8 verschiedenen Stellen des Ortes statt und die Zuschauer folgen dem Geschehen dadurch nicht nur mental, sondern gehen buchstäblich mit dem Geschehen mit.

Wir sind schon mittags angereist, und haben mit dem Tour-Veranstalter „Happeninnes“ erst einmal eine Führung durch die historischen Ausgrabungen des außerhalb des Ortes gelegenen Sentinum gemacht, wo 295 vor Christus die berühmte „Schlacht der Nationen“ stattfand. Mehr dazu in unserem Artikel über Sassoferrato.

Danach haben wir uns mit einem mehrgängigen Mittagessen bei „Sergio“ gestärkt, einem der Restaurants, die in der Karwoche spezielle Menüs anbieten. Gut gesättigt oder besser gesagt „pappsatt“ fanden wir uns zur ebenfalls von Happeninnes geführten Tour „Hinter den Kulissen des Passionsspieles“ ein.

Wir konnten schon einmal die verschiedenen Aufführungsorte ansehen und in der Kirche San Francesco, vor der am Ende die Kreuzigung stattfinden sollte, verschiedene Utensilien der Aufführung anschauen. Beim Verlassen der Kirche kam uns ein dynamischer, gutaussehender junger Mann mit Trainingsanzug und Sporttasche entgegen. Den sollten wir später wiedersehen, denn es war der Schauspieler des Jesus, der an dieser Stelle einige Stunden später im Passionsspiel gekreuzigt wurde.

In der ehemaligen Kirche San Giuseppe gab es darüber hinaus eine Ausstellung der Kostüme und Fotografien früherer Aufführungen und die führende Kostümschneiderin begrüßte uns dort.

Noch ein kurzer Blick in den Palazzo dei Priori, wo im heutigen archäologischen Museum die zentralen Umkleiden für die Aufführung provisorisch eingerichtet waren und wo es schon sehr lebhaft zuging.

Das Spiel sollte erst um 21:15 beginnen, daher gingen wir erst noch in die Unterstadt, um einen Aperif im „Melody“ zu nehmen: Zum Verdicchio Wein gab es dort leckere, hausgemachte und liebevoll angerichtete Häppchen.

Wie wir Deutschen so sind, waren wir natürlich schon deutlich vor dem geplanten Beginn wieder oben im Castello und standen in erster Reihe dort, wo die Aufführung beginnen sollte. Und wie es in Italien oftmals üblich ist, war der Beginn etwas später als der angekündigte. Dadurch konnten wir mitverfolgen, wie die letzten Vorbereitungen getroffen wurden, die Beleuchter ihre Plätze einnahmen, Soundchecks durchgeführt wurden, Leute hektisch von hier nach dort liefen.

Mittlerweile war es dunkel geworden und der Ort war in das schwache, gelb-orange Licht der Dorfbeleuchtung getaucht. Als schließlich von links Jesus und seine Jünger durch eines der Stadttore eintraten und zur ersten Kulisse, dem Ölberg, gingen, wurde es andächtig still im inzwischen stark angewachsenen Publikum.

Wir folgten der Menge durch den Ort, um der Aufführung an den verschiedenen Punkten weiter zu folgen: vom Ölberg ging es zum Rat der Hohepriester und danach zur Präfektur des Pontius Pilatus. An einer weiteren Station traf Jesus auf die Madonna und die frommen Frauen, um schließlich das Kreuz aufzunehmen und den Kreuzweg bis zur Kirche San Francesco (aus dem 13. Jh) zu gehen, begleitet von einer großen Menge von Schauspielern und Zuschauern. Unterwegs begegnete er Veronika, die ihm das Schweißtuch reichte und Simon, der ihm half, das Kreuz zu tragen.

Die Atmosphäre war gedämpft, ruhig und andächtig, obschon so viele Menschen unterwegs waren. Schließlich wurde oben auf der Treppe vor der Kirche die Kreuzigungsszene auf Golgata aufgeführt, die auch mich, die ich nicht sehr religiös bin, wegen der realistischen Darstellung sehr beeindruckte: Mit schweren Schlägen wurden scheinbar die Nägel ins Kreuz getrieben, das dann vor der Kulisse von San Francesco und über den Köpfen des Publikums langsam aufgerichtet wurde. Auch die Kinder, die mit ihren Eltern dabei waren, blieben andächtig ruhig. Nur das eine oder andere erleuchtete Display von Handykameras störte ein wenig die andächtige Szenerie.

Jesus wurde vom Kreuz abgenommen und in die Kirche San Francesco gebracht, um die Grablegung zu symbolisieren. Nach einiger Zeit öffnete sich das Portal der Kirche wiederum, und aus dem gleißenden Licht, das aus dem Inneren der Kirche strahlte, wurde der Leichnam Christi auf einem Baldachin-Bett herausgetragen. Dabei versöhnte das Licht und nahm damit symbolisch schon die Auferstehung an Ostern vorweg.

Hier endete das Passionsspiel und die Menge löste sich zwar fast lautlos, aber sehr schnell auf, war es doch inzwischen fast Mitternacht und schon ziemlich kalt geworden.

Die Passionsspiele (die „Rappresentazione della Passione Christi“) finden alle 2 Jahre statt, das heißt, erst wieder 2021, dann 2023, und so weiter. Der Eintritt ist frei.

Auf Youtube gibt es einen dreiminütigen Film, der die Stationen des Passionsspieles und die Atmosphäre sehr gut wiedergibt:

Für Informationen über Programm, Zeiten, Rahmenprogramm gibt es eine eigene Facebookseite (meist auf Italienich, manchmal mit englischen Übersetzungen und vor allem mit tollen, professionellen Fotos der vergangenen Aufführungen), oder man konsultiert die Seite des Tourismusbüros oder die des sehr engagierten Touranbieters Happeninnes, der seinen Sitz in Sassoferrato hat.


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