Bei einem Event von Slow Food Ancona saßen wir mit einem Feinschmeckerpärchen aus Ancona am Tisch draußen am Strand der wunderbaren Bucht von Portonovo. Er, Hobby-Muscheltaucher, schwärmte von Mortadella Brötchen mit Paccasassi drauf, die wohl hier am Monte Conero wachsen würden.
Natürlich war meine kulinarische Neugier geweckt und ich kaufte mir ein kleines Gläschen eingelegte Paccasassi der Firma Rinci. Sehr lecker, aber vom Geschmack her schwer zu beschreiben: Ein bisschen nach Fenchel, aber zitroniger. Ein bisschen nach Algen, aber viel milder. Mein Mann meint, es schmeckt „grün“.
Was sind Paccasassi?
Paccasassi (latein. Crithmum maritimum, dt. Meeresfenchel, engl. Sea Fennel oder „Samphire“) ist eine kleinwüchsige Pflanze, die unter anderem an der Steilküste des Monte Conero wächst. Obschon sie an Land wächst, nimmt sie durch Wind und die feuchte Seeluft einen typischen Meer-Geschmack an. Man kann sie roh essen, aber sie eignet sich auch sehr gut zum Einlegen.
Ihre Nutzung ist schon seit der Antike bekannt: wegen des hohen Vitamin-C Gehaltes war sie geschätzt bei Seefahrern, die damit dem Skorbut vorbeugten. Die Pflanzen haben überdies einen sehr hohen Gehalt an den guten Omega-Fettsäuren. Auch Shakespeare erwähnt die wagemutigen Paccasassi Sammler in seinem King Lear: „Half-way down, Hangs one that gathers Samphire; dreadful trade!“
Der italienische Name kommt von „spacca sassi“ – Steine zerbrechen, weil die Pflanzen oft in Felsritzen wurzeln. Auch wenn sie die Felsen nicht wirklich zerbrechen, so sieht es doch fast so aus.
Ich habe gelesen, dass die Pflanze inzwischen nicht nur bei Spitzenköchen beliebt ist und von bekannten Kochforen wie Cucinaitaliana, Giallozafferano und dem berühmten Gamberorosso gefeiert wird, sie wird inzwischen auch in der Kosmetik hochgelobt wegen ihrer „Anti-Aging“ Wirkung.
Einige Wochen später fahren Blogger-Freundin Isabelle, mein Mann Otto und ich nach Castelfidardo und werden bei der Firma „Rinci“ von Claudia und Alessandro freundlich empfangen.
Die Firma hat sich seit circa 5 Jahren auf Paccasassi spezialisiert. Alessandro ist einer der 3 Miteigentümer, die sich im Studium kennengelernt haben (zwei von ihnen haben Lebensmitteltechnik studiert und einer ist Marketingexperte). Luca, der zweite Eigentümer, lag wohl mit Hexenschuss zu Hause und Francesco, den dritten im Bunde, sollten wir in Kürze bei der Arbeit antreffen. Claudia ist für die Kommunikation und Korrespondenz zuständig, sie hat schon international in Brüssel und auf Messen gearbeitet, ist vor einem Jahr dazugestoßen und völlig begeistert von ihrem Job. Sie sagt, jeder hat „seine“ Arbeit, aber am Ende packen alle überall mit an, wo immer es sein muß.
Zunächst gehen wir in die kleine Produktionshalle. Alessandro sagt, eigentlich ist es inzwischen zu beengt. Aber in Zeiten von Corona wollen sie mit der überfälligen Expansion lieber etwas vorsichtiger sein. Dass sie alle so eng zusammensitzen hat auch seinen Vorteil, meint Claudia, denn man kann sich einfach mit allen verständigen, ohne telefonieren zu müssen.
Die Halle ist blitzsauber und wir sehen, wie Mitarbeiter Rossano gerade Paccasassi mit klarem Wasser säubert. Die eigenen Felder sind in Camerano und so können die geernteten Paccasassi binnen 10 Minuten vom Feld in der Fabrik sein – frischer geht’s nicht.
Jeden Tag wird ein anderes der 5 Produkte hergestellt: Der Klassiker sind Paccasassi in Öl, daneben gibt es noch Paccasassi-Senf, Paccasassi-Pesto, Paccasassi-Mayonnaise und Paccasassi-Salsa. Außer der Salsa, in der Anchovis stecken, sind alle Produkte vegan, selbst die Mayonnaise wird ohne Ei hergestellt.
Mit-Eigentümer Francesco ist gerade dabei, Paccasassi-Gläser frisch aus der Produktion zu labeln und für die Spedition zu verpacken. Inzwischen versenden sie auch nach Deutschland, die Schweiz, Dänemark und sogar in die USA. Die Abnehmer sind Feinschmecker-Geschäfte, gehobene Restaurants oder auch Restaurants mit innovativer Küche. Etliche Pizzerien an der Küste bieten inzwischen Pizza Bianca mit Paccasassi und Mortadella an, sagt Claudia.
Wie sie denn darauf gekommen sind, Paccasassi zu produzieren, fragen wir. Luca, der 3. Eigentümer im Team, hätte als Kind oft am Monte Conero Mortadella-Brötchen mit Paccasassi drauf zu essen bekommen und vermisste sie sehr. Aber inzwischen darf man die Pflanzen dort nicht mehr ernten, denn das Gebiet ist Naturschutzgebiet und die Pflanze geschützt. Da haben sie entschieden, sie selber anzubauen und zwar in unmittelbarer Nähe zum Monte Conero.
Tatsächlich werden die Pflanzen auch in anderen Küstengebieten des Mittelmeeres und Atlantiks schon seit der Antike geschätzt und sie wird auch in Hobby-Gärten angebaut. Aber Rinci sei die erste Firma, die eingelegte Paccasassi produziert und verkauft hat, sagt Alessandro.
Als nächstes fahren wir zu den Feldern bei Camerano. Neben einem lauschigen Olivenhain und mit Blick auf den Monte Conero gelegen, betreten wir die gerade mal 5 Hektar große Anbaufläche.
Rinci arbeitet mit der Universität zusammen, für die ein zusätzliches kleines Feld zu Forschungszwecken abgesteckt ist. Sie forschen mit Unterstützung der EU an den idealen Bedingungen für den Paccasassi-Anbau.
Die Pflanzen sind sehr mehrjährig und sehr genügsam. Sie brauchen keine zusätzlichen Nährstoffe, keine extra-Bewässerung und werden auch nicht mit Pestiziden behandelt. Ein untergelegtes Pflanzenvlies hält das meiste Unkraut fern, der Rest wird in Handarbeit 3x im Jahr entfernt. Überhaupt wird alles per Hand gemacht, sagt Ettore, den wir auf den Feldern kennenlernen und der Agrarwissenschaft studiert hat.
Jede Pflanze wird 1x pro Jahr abgeerntet, wobei die intensivste Phase zwischen Juni und August ist. Wegen der Hitze arbeiten die Erntehelfer von 5 Uhr morgens bis 13 Uhr. Die Blüten werden auch geerntet und mit Olivenöl zu einem kosmetischen Öl verarbeitet. Einige Blüten bleiben stehen und dienen der Samengewinnung, aus denen in einem eigenen kleinen Gewächshaus die nächste Generation Pflanzen gezogen wird.
Als wir uns von dem sympathischen Team verabschieden, fragt uns Alessandro, ob wir in Deutschland oder den Niederlanden Kontakte zu Feinschmecker- und Lebensmittelunternehmen hätten, an die sie sich wenden können. Gucken wir gerne mal, haben wir gesagt!
Eine Woche später machen wir mit Freunden zusammen einen Pizza-Abend bei uns draußen. Natürlich backen wir eine Pizza-Bianca mit Mortadella und Paccasassi drauf – und finden sie einfach himmlisch!
Claudia hat uns eine Liste von Geschäften zusammengestellt, wo man Paccasassi kaufen kann:
Ancona – Bottega Re Formaggio (Piazza J. F. Kennedy, 10/11) – Panificio Sestili (Mercato di Via Maratta) – Mangio Ergo Sum (Corso Amendola) Porto Recanati – ciauscolo.it (Corso G.Matteotti, 54) Numana – Enoteca Azzurra (Via Flaminia, 90) Sirolo – La Drogheria (Via Italia, 2) Osimo – Tavernetta del Corso (Corso Giuseppe Mazzini, 74) Loreto – Il Buono delle Marche (Corso Boccalini, 81)Recanti – Bottega della Carne Morotti (Viale Fiume, 13) Castelfidardo – Briciole (Piazzale Buonarroti) – Andrea Specialità Gastronomiche (Via Rossini 129/e) Fabriano – Lalli food (Mercato Coperto, Piazza Garibaldi, 37) Senigallia – Enoteca Galli (Via Pisacane, 2) Chiaravalle – Il Polo (Via Maestri del lavoro, 17)
Zusätzlich gibt es hier eine Übersichtskarte, wo man in den Marken Paccasassi im Restaurant genießen oder im Geschäft kaufen kann
2 Kommentare
Ursel · 29 Oktober 2021 um 12:14
Das war bestimmt ein sehr interessanter Tag,bzw Ausflug. Schade, dass ich nicht dabei war. Dieses Gemüse würde mir bestimmt auch schmecken.
isabelle · 29 Oktober 2021 um 18:29
Ist ganz lecker, kannst du im Oceano bekommen in der Abteilung, Marchigianische spezialitaeten !Isabelle