Ecco Le Marche


Auf fast allen Märkten in den Marken ist irgendwo ein Stand, der Stockfisch und Baccalà verkauft. Eine regionale Spezialität, dachte ich mir, aber als ich hörte, dass all der Fisch aus den skandinavischen Ländern kommt, war ich doch verblüfft. Wie kommt der Stockfisch denn nach Italien und wird in der marchigianischen Provinzhauptstadt Ancona gar zum Markenzeichen?


Die Tradition geht, so las ich, auf das Jahr 1431 zurück, als der venezianische Kaufmann Pietro Querini von Kreta nach Flandern segelte, um dort Wein zu liefern. Dort geriet er in einen fürchterlichen Sturm, trieb ab und havarierte vor den norwegischen Lofoten. Bis zum Frühjahr musste die Besatzung dort ausharren, bis sie wieder in See stechen konnten. So lernten sie die Speisen der Einheimischen kennen, darunter auch den Stockfisch. Bei der Rückkehr ins reiche Venedig hatten sie von dem Stockfisch geladen, der den Venezianern gänzlich unbekannt war und in Kürze die dortige Küche eroberte. Inzwischen ist Stockfisch in vielen Gegenden des Mittelmeeres beliebt, vor allem aber in Italien, wohin circa 90% der Stockfisch-Exporte Norwegens gehen (wie ich in Norwegen in einer Ausstellung über Fischerei lernen durfte). In der Folge wurde Stockfisch häufig von den italienischen Handelsschiffen geladen, die aus Skandinavien zurückkehrten, denn erstens war er eine gute haltbare und vitaminreiche Nahrung für die Seeleute und zweitens hatten sie damit Ladung und Ware für die Rückfahrt.


Aber was ist eigentlich Stockfisch?


Stockfisch (italiensich „stoccafisso“) ist im Grunde getrockneter Kabeljau, auch Dorsch genannt. Er wird im Frühjahr vor Norwegen gefangen, mehrere Wochen draußen an der Luft getrocknet und nimmt dann durch die Meeresluft einen leichten Salzgeschmack an.

Natürlich muss er vor der Verwendung mehrere Tage eingeweicht werden.

Da er vor allem viel Vitamin B und D, Kalzium und Eisen enthält und gleichzeitig kaum Fett und Kohlehydrate aufweist, ist er an sich sehr gesund. Ich sage „an sich“, denn er wird in Ancona sehr lecker mit viel Olivenöl und Kartoffeln zubereitet und, ecco, hat man dann die Kohlehydrate und das Fett! Übrigens wird er in den Marken auch gerne in der Fastenzeit konsumiert, da es fleischloses, aber sehr gehaltvolles Essen ist.


Stoccafisso all’anconetana


Kein Wunder, dass Ancona als große italienische Hafenstadt den Stockfisch schon früh in die heimische Küche integriert hat. Etliche Restaurants rühmen sich mit der Spezialität oder hängen an den Tagen, an denen sie ihn anbieten, Schilder mit der Aufschrift „oggi stoccafisso“ (heute Stockfisch) heraus.

Ich traf einige der Aktivisten der 1997 gegründeten Gruppe „Accademia dello Stoccafisso“ bei einem slow-food event in Ancona, machte allerdings irgendwann den Fehler, auch nach „Baccalà“ zu fragen, der ähnlich zubereitet wird. Und erntete verächtliche Blicke …


Was ist dann Baccalà?


Neben dem Stockfisch begegnet man in der marchigianischen Küche häufig dem „Baccalà“, der ebenfalls in Norwegen aus Kabeljau hergestellt wird, und den ich selber fast lieber esse, auch wenn er weniger edel zu sein scheint. Die Zubereitung ist ähnlich, der Unterschied ist, dass der Baccalà (zu deutsch Klippfisch) zunächst eingesalzen und danach nur noch kurz in Hallen getrocknet werden muß, während der Stockfisch wochenlang an der Luft trocknet. Der Baccalà bleibt aber dadurch saftiger und etwas würziger und wer ihn einmal, wie wir, im Ristorante Anita bei uns im Ort gegessen hat, will ihn nicht mehr missen.


Ich habe ihn denn auch einige Male selber im Backofen zubereitet, angelehnt an ein Rezept aus Cartoceto, dem Ort, wo das berühmteste marchigianische Olivenöl herkommt und der einmal im Jahr ein Baccalà-Fest ausrichtet (wir haben an dieser Stelle schon über den Ort und sein Öl berichtet). Das ist eigentlich auch schon der wesentliche Trick an der Sache: man braucht ein hervorragendes Olivenöl. Wir nehmen natürlich unser eigenes …

Baccalà mit Kartoffeln und Tomaten – sehr einfach!


Man wässert den Baccalà eineinhalb bis zwei Tage lang, wobei man 2x täglich das Wasser wechselt. Dann legt man ihn auf Backpapier in eine ofenfeste Form, zusammen mit geschälten, geviertelten Kartoffeln, frischen Tomatenstückchen, Oliven und etwas Rosmarin, oder auch Petersilie und Knoblauch. Man pfeffert und salzt alles (Vorsicht! Der Baccalà selber ist schon salzig) und übergießt es mit reichlich gutem Olivenöl. Am Ende bestreut man das Ganze noch mit etwas Paniermehl und schiebt es, je nach Temperatur, für circa 40-60 Minuten in den Ofen. Buon Appetito!

Tipps, wie und wo man Stoccafisso all’Anconetana probieren kann:

Stockfisch (und Baccalà) gibt es auf den meisten Märkten, in größeren Supermärkten und in Fischgeschäften zu kaufen, häufig sogar küchenfertig, dh. bereits gewässert und direkt verwendbar

Etliche Restaurants im Zentrum von Ancona bieten regelmässig Stoccafisso all’Anconetana an. Die Feinschmecker vom Slow Food Event empfahlen mir das Ristorante Gino gegenüber dem Bahnhof von Ancona. Das konnte ich nicht nachvollziehen, denn ich fand das ganze Ambiente dort muffig und verstaubt und es roch nach Kanal. Das kann sein, sagten sie, aber dort würde ohne jeden Zweifel der beste Stoccafisso all’anconitana serviert und man könne im Sommer ja draussen im Restaurant-Garten essen, da wäre es nett und nicht muffig.

Im Laden von „Gioacchini“ in Ancona ist man seit über 100 Jahren auf Stockfisch und Baccalà spezialisiert. Hier kann man verschiedene Stockfisch- und Baccalà-Gerichte zum Mitnehmen kaufen, zum Beispiel aus dem Backofen, Nudelsauce mit Stockfisch, Stockfischbällchen, Stockfischlasagne, etcetera . Ideal für den, der erstmal vorsichtig probieren will. Isabelle und ich waren letztens dort und haben das Angebot zu Hause durchprobiert …

Ein paar Mal im Jahr veranstaltet die „Accademia Anconitana dello Stoccafisso“ aus Ancona Stockfisch-Essen, oft zu karitativen Zwecken, das nächste mal am 8. Dezember 2020 mittags: 9 Restaurants in Ancona bieten dann für 16-18 EUR pro Person Stockfisch zum Mitnehmen an:


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