Die Ursprünge der Santa Lucia Kirche in Serra San Quirico gehen auf das 13. Jahrhundert zurück, auch wenn die erste Kirche irgendwann im 16. oder 17. Jahrhundert zerstört wurde. Der Orden der „Silvestriner“, das waren Mönche aus der Konföderation der Benediktinerorden, baute die Kirche 1650 aber am selben Platz wieder auf.
Die Silvestriner waren alles andere als Bettelmönche, ja, zu ihrer Zeit waren sie sogar recht wohlhabend! Und wenn sich ein Mönch des Ordens im Alter zur Ruhe setzte, dann suchte er sich gerne das Kloster in Serra San Quirico aus, um dort in Frieden seine letzten Jahre zu verbringen.
Hier angekommen, standen die wohlhabenden Mönche jeweils vor der Wahl, ihr Geld generell der Kirche zu spenden oder es für die Renovierung „ihrer“ Kirche Santa Lucia in Serra San Quirico auszugeben. Sie entschieden sich meist für letzteres und das erklärt die üppige Ausstattung. Ja, es war scheinbar soviel Geld vorhanden, dass selbst die Sakristei – in anderen Kirchen ein eher einfacherer Umkleideraum für die Priester – luxuriös ausgestaltet wurde.
Zusammen mit Derek Barnes, einem der Freiwilligen, die sich um die Kirche kümmern, um sie zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, durften wir Santa Lucia besichtigen.
Schon beim Eintritt waren wir völlig überwältigt von den vielen goldenen Wänden und üppigen Dekorationen! Vor Staunen wussten wir gar nicht, wo wir anfangen sollten – und deshalb war es sehr hilfreich, dass gerade Derek uns herumführte! Er verbringt viel Zeit mit dem Studium der Kirche und konnte uns viele Details erläutern.
Die große, mit Gold reichlich verzierte Orgel aus dem Jahr 1672 fiel uns direkt ins Auge. Sie war noch im Originalzustand und konnte immer noch bespielt werden. Wie war das nach Jahrhunderten möglich? Derek erklärte, dass sie über Jahrhunderte nicht benutzt wurde und daher kaum abgenutzt war. Um uns die Details zu zeigen, nahm er uns mit auf die Empore, wo die Orgel stand und wir konnten Pedale, Register und Orgel aus der Nähe bestaunen. Nur die großen Hebel des Blasebalges wurden heuer von Motoren unterstützt, denn es war früher unglaublich schwere Kraftarbeit und musste mit 2 Leuten bedient werden.
Gang zur Orgelempore
Ich fand die Auslassungen von Derek über die Kirchenbänke besonders interessant: Natürlich waren sie mit den Initialen der jeweiligen Eigentümer versehen. Wenn aber heutzutage in Santa Lucia die Messe gefeiert wird, dann sind die einfachen Stühle bei den Besuchern deutlich beliebter, denn die Bänke sind unbequem und erfordern eine halb kniende und halb sitzende Haltung. Wer möchte heute noch eine ganze Messe lang knien?
Während des Lockdowns fand Derek Zeit, sich mehr mit den Bänken zu beschäftigen. Sie waren von 1 bis 7 (jeweils rechts und links auf der Seite) durchnummeriert. Aber die 6 war falsch herum geschrieben – warum? „6 ist die Zahl des Teufels“ rutschte uns die naheliegende Antwort heraus. Aber Derek glaubt nicht, dass sie dem Teufel so viel Aufmerksamkeit gewidmet hätten. „Als Gott die Welt erschuf, was erschuf er am 6. Tag?“ fragte er. „Den Menschen“ erinnerten wir uns. Genau, und um den Menschen daran zu erinnern, dass er in Gottes Schöpfung fehlbar ist, wurde die Zahl 6 fehlerhaft geschrieben, vermutet Derek.
Initialen an einer Kirchenbank Bank Nummer 6
Im Kircheninneren befanden sich 6 wunderschöne Seitenaltare, die mit der sogenannten „scagliola“ Technik (Gips-Intarsien) aufwendig dekoriert waren, einer Kombination aus Putz und Bemalung. Die zu bemalenden Teile wurden dazu aus der jeweils oberen Putzschicht entfernt.
Auf den ersten Blick sahen die 6 Altare gleich aus, unterscheiden sich aber in kleinen Details, wie einem Schmetterling oder einem kleinen Vogel. Es machte Spass, nach den Unterschieden zu suchen.
Die Heilige Santa Lucia, Namensgeberin der Kirche, findet sich auf etlichen Gemälden des Innenraumes. Derek erklärte ihre Geschichte: Lucia kam aus wohlhabendem Hause und entschied, nachdem ihre Mutter schwer erkrankte, ihr Leben ganz der Kirche und dem Gebet zu widmen. Alle waren zufrieden: Die Mutter wurde wieder gesund und Lucia genoss das jungfräuliche Leben in Gebet und Andacht. Nur Lucias Verlobter passte nicht mehr in diesen Lebensentwurf. Zurückgewiesen und um seine Einheirat in die reiche Familie Lucias gebracht, verriet er Lucia bei den Römern als bekennende Christin, die sie daraufhin verhafteten und in ein Bordell bringen wollten. Sie widersetzte sich und wurde fürchterlich gefoltert, ja am Ende wurden ihr die Augen ausgestochen. Als sie zum Himmel aufstieg, trugen Engel ihre Augen in einer Schale mit hinauf. Die Augen auf der Schale sind seitdem auf allen Lucia-Darstellungen als Erkennungsmerkmal zu sehen und sie wurde zur Heiligen des Augenlichtes und des Lichtes.
Der Bilderzyklus über dem Altar stellt Leben und Tod der Santa Lucia dar und wurde vermutlich in Vicenza, möglicherweise von Pasqualino Rossi, erschaffen. Kurioserweise passten die Bilder wohl nicht ganz in die Rahmen, so dass, wer ganz genau hinsieht, sehen kann, dass die rechten Seiten der Bilder nach gemalt wurden, denn sie haben eine leicht andere Farbintensität.
Es gab soviel zu entdecken, dass unser Artikel hier kaum reicht, denn die Silvestrini-Mönche hatten damals wirklich viel in diese Kirche investiert. Sogar die Reliquien, die in der Sakristei verwahrt wurden, befanden sich in reich verzierten Aufbewahrungskästchen.
Sakristei
Als wir die Kirche verliessen, klangen die vielen Eindrücke in uns nach. Solch eine reiche Kirche in so einem kleinen, zauberhaften, aber fast verschlafen wirkenden Örtchen wie Serra San Quirico. Auf jeden Fall einen Besuch wert!
2 Kommentare
Ursula Bernhard · 31 Mai 2021 um 12:28
ein wunderbarer Beitrag danke dafür
Gruß aus Deutschland Ursula
elke · 3 Juni 2021 um 15:01
Lieben Dank!!!