Wenn der Herbst Einzug hält, feiert man in Appignano in der Provinz Macerata die „Leguminaria„. Dabei leben die lokalen Traditionen von Keramik und Hülsenfrüchten auf. Mein Mann und ich waren letztes Jahr dort:
Linsen, Bohnen, Kichererbsen: gesundes Essen mit Tradition.
In Italien unterscheidet man auch in der Küche zwischen Legumi, das sind Hülsenfrüchte, und Verdure, das sind Gemüse. Gerade im bäuerlichen Mittelitalien haben Hülsenfrüchte eine lange Tradition. Sie waren früher ein Arme-Leute-Essen, dessen man sich aber inzwischen wieder gerne besinnt, denn Hülsenfrüchte lassen sich gut konservieren, sind sättigend, ballaststoffreich und eine natürliche Eiweißquelle.
In der traditionellen Küche hier in der Gegend findet man sie hauptsächlich als Suppen und Eintöpfe. Dabei werden sie häufig mit einfachem Fleisch kombiniert oder auch nur mit Pasta serviert.
Leguminaria – ein Fest der Keramik und der Hülsenfrüchte.
Als man in Appignano 2003 die erste Leguminaria feierte, wollte man nicht nur den Hülsenfruchtsorten, die in der Gegend angebaut werden, eine Bühne bieten, sondern auch der lokalen Keramiktradition. Was als lokales Fest begann, ist inzwischen eine beliebte Veranstaltung, auch bei Leuten von außerhalb. So wie bei uns.
Wir parken auf einem größeren Parkplatz am Rande von Appignano und erspähen schon eine Reihe von Verkaufsständen rund um die schöne Stadtmauer. Hier werden mittelitalienische Spezialitäten angeboten, wie Porchetta (Spanferkelbraten), Knoblauch, Zwiebeln, Nüsse, Stockfisch und Bacaláo, Wildkirschwein, Maronen und natürlich allerlei Hülsenfrüchte aus Appignano: kleine, zarte Linsen (Lenticchie), Kichererbsen (Ceci), weiße Böhnchen (Fagioli) und Borlotti-Bohnen (Borlotti).












Danach betreten wir den Ort durch eines der Stadttore und flanieren durch die kleinen, verwinkelten Gässchen.





Keramik- und Seidenwerkstätten im Ort.
Überall sieht man Spuren der Keramiktradition. Von Objekten an den Häuserwänden, Ausstellungen, Keramikwettbewerben, bis hin zu kleinen Details, wie Hausschildern. Eine Keramikplatte verweist auf den Briganten Pietro Masi, auch Bellente (der Schöne) genannt. Er stammte aus Appignano und lehnte sich mit seinen Getreuen gegen die napoleonische Herrschaft auf. 1812 wurde er von den Truppen in einen Hinterhalt gelockt und getötet. Jedes Jahr im Sommer gibt es in Appignano ihm zu Ehren ein Fest mit Schauspiel.




Man kann anlässlich des Festes auch abends noch die Keramik- und Webwerkstätten besichtigen. Hier werden Kunstobjekte, Gebrauchsgegenstände und Keramikkacheln gefertigt. Aber auch Garne und Stoffe aus Seide gefertigt. Es gibt eine kleine Führung, bei der wir die Produktionsschritte von den Seidenkokons bis hin zu Seidengarn-Rollen sehen können.










Ein kleines Museum zeigt uns die Keramikformen, die typisch für den Ort sind: zum Beispiel eine irdene Wärmflasche, einen Nachttopf, einen Wasser- und einen Weinkrug:




Appignano: Ticketverkauf für die Leguminaria.
Vor dem dramatisch angestrahlten Rathaus spielt eine Band und wir sehen viele Tanzende. Erstaunlicherweise singen sie auf Französisch und ein Tanz mutet mir keltisch an, so wie ich ihn aus der Bretagne kenne. Die Stimmung ist schön und es sammeln sich mehr und mehr Leute um die Bühne.




Langsam bekommen wir Hunger. Beim Rathaus können wir die Tickets für das Essen erwerben: Es gibt nur ein Menü, bestehend aus 3 Gängen, sowie Nachtisch, Kaffee, Wein und Wasser. Die günstigste Version kostet 15 EUR; allerdings bekommt man das Essen für 20 EUR sogar in Keramikschalen serviert, die man nachher mitnehmen darf. Wir entscheiden uns für ein Menü mit Keramik und eines ohne.
Wir genießen das 3-gängige Hülsenfrüchte-Menü der Leguminaria.
Mit den Tickets können wir in einen der über den Ort verteilten Ess-Säle eintreten und bekommen einen Platz an einem der Biertische zugewiesen. Tönerne Weinkrüge stehen schon bereit und ich bekomme mein schönes Keramik-Essgeschirr. Mein Mann Pappteller und Plastikbecher – aber das hatte er sich ja so ausgesucht.






Es gibt reichlich Wein und bald beginnen sie, den ersten Gang aufzutischen: eine klare Brühe mit Kichererbsen und Rosmarin. Dazu werden trockene Brotstückchen gereicht, die man in der Suppe aufweichen soll. Sehr lecker, aber der Kellner hat es zu gut mit uns gemeint, und uns eine ordentliche Portion gegeben. Dabei kommen noch 2 weitere Gänge plus Nachtisch! Das Problem: Ich kann es nicht einfach stehenlassen, denn erstens sieht man sehr selten, dass Leute Essen übriglassen, und zweitens brauche ich meine Schüssel ja noch für den 2. und 3. Gang.



Als Nächstes bekommen wir Linsengemüse mit Salsiccia (Fenchelwurst). Das sind die leckeren, zarten, kleinen Linsen, die hier in der Gegend angebaut werden. Natürlich können wir Nachschlag bekommen, nehmen aber davon Abstand, denn es kommt ja noch der 3. Gang. Auch der Weinkrug wird auf Wunsch immer wieder neu befüllt. Der junge Mann uns gegenüber hält seinen hochbetagten Vater besorgt davon ab, sich immer wieder einzuschütten.
Als 3. Gang gibt es weiße Bohnen mit weichgekochter Schwarte, ein lokales Gericht aus der bäuerlichen Tradition. Auch das wieder sehr lecker, aber wir sind auch pappsatt. Zum Glück gibt es als Nachtisch nur eine kleine Portion typischen Wildkirsch-Weines (Visciola) mit Keksen, die wir uns mit einem Gutschein draußen am Stand holen dürfen. Die frische Luft tut gut!





Leguminaria – Nachwirkungen.
Langsam begeben wir uns Richtung Ortsausgang. Nein, halt, noch schnell auf die Toilette. Eigentlich sind nur zwei Teenager vor mir, aber die belegen das Klo etwas länger, sodass wir mit den hinter uns Wartenden ins Gespräch kommen. Wir kommen auf den Festen fast immer mit Leuten ins Gespräch und wir lieben das. Es stellt sich heraus, dass es ein ehemaliger Bürgermeister von Appignano mit seiner Frau ist.
Ich lobe das Essen und erwähne nur, dass es durch die vielen Hülsenfrüchte ganz schön mächtig ist. Ja, meint die Ex-Bürgermeister-Frau, die sicher schon einige dieser Feste mitgemacht hat, sie würden deshalb immer schon mittags zum Essen gehen. Das wäre verträglicher und läge nachts nicht so schwer im Magen.
Gesättigt und zufrieden fahren wir nach Hause. Mein Mann schläft in der Nacht tief und fest, aber ich muss mehrfach raus, weil sich die Bohnen, Kichererbsen und Linsen bemerkbar machen. Aber das war es wert, fand ich …
Nützliche Info
Das Leguminaria-Fest findet in Appignano immer um Mitte Oktober statt. Sie haben eine eigene Facebook-Seite, auf der kurz vorher Details zur Veranstaltung gepostet werden. Die Leguminaria 2025 findet vom 17. bis 19. Oktober statt.



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