Der 27. Januar ist der internationale Holocaust-Gedenktag, in Italien Giorno della Memoria (Tag der Erinnerung) genannt. Es werden Vorträge, Lesungen und Filmvorführungen im Andenken an die vielen Opfer des Völkermordes an den Juden veranstaltet.
Der Künstler Gunter Demnig hat mit seiner Kunstaktion der Stolpersteine eine schöne Form gefunden, um der Menschen dauerhaft zu erinnern, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert oder vertrieben wurden, darunter Millionen von Juden.
Am 16. Dezember 1992, genau 50 Jahre, nachdem Heinrich Himmler die Deportation von 1000 Roma und Sinti angeordnet hatte, legte er vor dem Kölner Rathaus einen mit Messingplatte versehenen Stein mit den ersten Zeilen dieses Befehls nieder.
Drei Jahre später verlegte er die ersten Stolpersteine in Köln, allerdings noch ohne behördliche Genehmigung. Vor dem jeweils letzten Wohnsitz des Opfers verlegte er einen quadratischen Stein mit Messingplatte, auf der Name, Geburts- und Sterbedatum sowie Ort der Deportation und des Todes eingraviert waren. Passanten sollen symbolisch über die Gedenktafeln „stolpern“ und so überall in der Stadt an die Gräuel des Holocaust und anderer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung erinnert werden. Im Jahr 2000 erteilte der deutsche Staat die offizielle Genehmigung für die Verlegung der Stolpersteine. Inzwischen gibt es über 75000 dieser Stolpersteine in ganz Europa.
In der Region Marken findet man auch schon einige diese Pietre d’inciampo, wie sie in Italien genannt wären.
In Ostra Vetere kann man fast schon wörtlich über den Gedenkstein stolpern, denn die Messingplatte hebt sich deutlich von den umliegenden Pflastersteinen ab. Hier ist es ein einzelner Gedenkstein, aber wenn man zum Beispiel durch meine Heimatstadt Aachen in Deutschland geht, finden sich viele in der ganzen Stadt und ganze Gruppen von den Steinen in nur einer Straße oder vor einem Haus. So wird einem immer wieder bewusst, wie viele Menschen deportiert wurden und nie zurückkehrten.
Auch wenn Demnig inzwischen einige Helfer hat, die ihm bei Fertigung und Verlegung helfen, so reist er immer noch Jahr für Jahr zu den Erinnerungszeremonien und kniet nieder, um die jeweiligen Stolpersteine in den Boden einzulassen.
Der Stein in Ostra Vetere war 2017 von Demnig persönlich angefertigt und verlegt worden. Das Opfer, Gaddo Morpurgo, wurde zusammen mit anderen Gefangenen in der Nähe des Militärflughafens von Forlì hingerichtet. Die Entdeckung des Tagebuchs seines Vaters und eine anschließende Recherche führten zu diesem Stein.
Hier ist eine Liste aller Stolpersteine in den Marken, die man zum Beispiel in Ancona, Jesi, Osimo und Ostra Vetere findet.
In Jesi hatte Isabelle Schwierigkeiten, den Stolperstein dort zu finden, da keine Hausnummer angegeben war. Aber wenn Ihr danach suchen wollt: der Gedenkstein befindet sich auf dem Fußweg direkt gegenüber dem Wandgemälde, das dem derzeitigen Fußballnationaltrainer Mancini gewidmet ist, von dem es heißt, dass er in diesem Viertel aufgewachsen ist. Die Steinlegung hier fand am 27. Januar 2020 statt. Das Opfer, Giulio Ottolenghi , war im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet worden.
Mir persönlich liegt das Thema sehr am Herzen, stellen die Stolpersteine doch wieder Sichtbarkeit und Andenken für die Menschen her, die im Nationalsozialmus vernichtet und ausgelöscht werden sollten. So habe ich mit meinem Bruder und meiner Mutter ebenfalls in 2020 in Aachen / Deutschland vier Stolpersteine gestiftet, die im Andenken an die Familie Weinhausen, deren Tochter Ruth eine Spielkameradin meiner Mutter war, verlegt wurden. In der Recherche zum Schicksal dieser Familie haben wir viel über die Verfolgung der Juden in unserer Heimatstadt gelernt, von der die Ermordung nur die allerletzte und grausamste Tat war.
5 Kommentare
Kurt Luks · 27 Januar 2022 um 14:47
Es gibt zwar wenige Stolpersteine in den Marken, dafür viele Gedenkstätten anderer Art. In dem Buch „Di Pietra e di Ferro“ von Mattia Tisba werden etliche auf dem Gemeindegebiet von Arcevia beschrieben.
elke · 28 Januar 2022 um 09:08
Hallo Kurt, danke für den Tipp! Vielleicht können wir da mal gemeinsam nach gucken (nach der Pandemie), um für einen Artikel zu schreiben.
Kurt Luks · 1 Februar 2022 um 07:28
So ehrenwert ich die Motive der Spenderinnen und Spender finde (ohne jeden Zweifel) so zweifele ich daran, dass dieses eine angemessene Form des Gedenkens ist. In München hat sich eine breite Mehrheit des Stadtrates gegen diese Form des Gedenkens ausgesprochen, nachdem sich auch die israelitische Kultusgemeinde dagegen ausgesprochen hatte. Wenn ich mir vorstelle, dass rechte Demonstranten, die immer zahlreicher in Erscheinung treten, mit ihren Springerstiefeln im Gleichschritt dieses Gedenken in den Boden treten, dann denke ich, ist ein Gedenken in Augenhöhe wie es an zahlreichen Plätzen unseres Gemeindegebietes möglich ist, angemessener. Beim Aufspüren dieser Plätze will ich gerne behilflich sein.
elke · 1 Februar 2022 um 07:56
Hallo Kurt, danke für Deinen Kommentar! Wir kommen bei Gelegenheit gerne auf Dein Angebot zurück, um zu sehen, wo in der Gemeinde Arcevia Gedenkstätten sind, um einen Artikel zu machen.
Die Stolpersteine werden durchaus kontrovers diskutiert, da hast Du Recht. Meine eigene Erfahrung war sehr positiv, denn als wir die Gedenksteine in Aachen verlegt haben, gab es sehr viel Zuspruch (und persönliche Beteiligung) von den Nachfahren und Verwandten der Ermordeten. Aber die Steine ersetzen auch keine Gedenkstätten, sondern sie ergänzen sich.
Dr. Wirth · 9 Februar 2022 um 15:34
Sicherlich ist es sinnvoll, die Bedenken der Israelitischen Kultusgemeinde zu repektieren und darauf Rücksicht zu nehmen.
Als ich in Deutschland die ersten Stolpersteine entdeckt habe, fand ich diese Idee sehr gut da damit der Tod /Mord der Menschen in unser Alltagsleben intergriert wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits viele Gedenkstätten. Diese sollen auch nicht durch die Stolpersteine „ersetzt“ werden. Nach meiner Erkenntnis ist es etwas anderes, ob ich dem Gedenken – mitten in unserer unmittelbaren Umgebung – begegne oder fast schon abstrakt in einer Gedenkstätte. Durch die Stolpersteine „erkennen“ wir die frühere Nachbarschaft, aber auch das ehemalige gemeinsame Leben und Miteinander, das sonst in Vergessenheit gerät.
Je nachdem wo ein solcher Stolperstein angebracht wird, kann damit – leider immer noch – in verächtlicher Weise umgegangen werden. Ich vertraue jedoch darauf, dass die überwiegende Mehrheit der Menschheit achtsam damit umgeht. Für unsere Nachkommen und uns ist es wichtig, dass die Erinnerung in der Nachbarschaft wach bleibt.