Otto, mein Mann, ist Espresso-Enthusiast. Nicht wie ein Kaffee-Somelier, der alle Sorten und Geschmacksnuancen kennt. Aber er hat schon zwei alte Bar-Espresso-Maschinen aus den 70er Jahren und den 80er Jahren restauriert und liebt es, die Maschine auf eine sorgfältig ausgewählte Kaffee-Sorte optimal einzustellen, so dass ein geradezu himmlisches Getränk herauskommt.
Als er damit vor circa 20 Jahren anfing, mit der ersten Rancilio, die wir in einem Hinterhof bei San Remo gefunden hatten, gab es in Deutschland kaum irgendwo einen guten Caffè (wie der Espresso hier genannt wird). Auch heute, so scheint mir, werden die meisten Espressi und Cappuccini mit Vollautomaten gebrüht, zu oft sind die Tassen nicht vorgewärmt, die Espresso-Portionen mit zu viel Wasser und zu heiß gebrüht und auf dem Cappuccino findet sich statt einer weichen Crema ein Schaum, der fester als Bau-Schaum ist. Ganz zu Schweigen von den Preisen für solches Gebräu!
Hier in Italien hingegen gibt es die Kaffee-Spezialitäten günstig. In fast jeder Tankstellen-Bar kann man einen besseren Espresso oder Cappuccino trinken als in Deutschland in einem italienischem Restaurant, scheint mir.
Ich glaube, das hat vor allem mit Wertschätzung und Hingabe zu tun: Den Italienern ist ein guter Kaffee einfach zu wichtig, als dass sie schlechte Qualität akzeptieren würden. In unserem Ort zum Beispiel stellt der Barista die Maschine unter Umständen mehrmals täglich neu ein, um Wetter und Luftfeuchtigkeit zu berücksichtigen.
Den besten Espresso in Italien gibt es, so sagt man, in Neapel. Was hat das also mit den Marken zu tun?
Nun, mir war aufgefallen, dass es hier eine Reihe lokaler, marchigianischer Kaffeesorten gibt, wie den Saccaria aus Senigallia, den Di Giampaolo aus Ancona, den Romcaffè aus Macerata und den Rico’s aus Osimo, um ein paar Beispiele zu nennen. In den marchigianischen Bars und Restaurants begegnet man ihnen häufig. Und so freuten wir uns, als wir beim letzten Kaffeebohnen-Kauf bei Di Giampaolo in Varano bei Ancona das Angebot bekamen, spontan und exklusiv eine Führung durch die Rösterei zu bekommen.
Ein netter junger Mann führte uns zunächst durch seine Werkstatt: jedes erdenkliche Werkzeug und Ersatzteil für die Macchine da Caffè schien es hier zu geben. Ja, meinte unser Gastgeber, sie hätten Ersatzteile für alle gängigen Marken. Bars und Restaurants könnten hier Maschinen bekommen und bekämen auch den Reparaturservice dazu.
Die anschließenden Hallen waren voller Kaffeemaschinen verschiedenster Marken und Jahrgänge. Darunter echte Schätzchen – ein Himmel für jemanden wie Otto. Natürlich erzählte er von unseren beiden alten Rancilios und der junge Mann versicherte uns, wir könnten bei ihm jederzeit alle nötigen Ersatzteile und Verschleißteile dafür bekommen – toll! Damit hatte sich die Besichtigung schon gelohnt!
Dann gingen wir in die Rösterei, die Torrefazione: Di Giampaolo stellt Kaffeesorten sowohl für den Privatgebrauch als auch für die kommerziellen Bar-Maschinen her. Wir kaufen zum Beispiel immer eine Mischung für Bar-Maschinen.
Erstaunlich: die Bohnen kommen per Schiff nicht etwa im Hafen von Ancona an, sondern in Genua und werden von dort per Zug weiter transportiert. Das wäre kürzer. Jetzt, im Frühjahr, lagerten hier die Bestände für den ganzen Sommer.
Bei di Giampaolo werden die Bohnen sortenrein geröstet und erst vor dem Abpacken gemischt. Andere Röstereien mögen das anders machen, meinte unser Guide, aber so wie jede Pastasorte eine andere Kochzeit habe, habe jede Kaffeesorte ihre eigene, ideale Röstzeit. Es ist zwar aufwendiger, sie getrennt zu rösten, aber es diene der Qualität.
Im Urzustand, vor der Röstung, sind die Bohnen hell und recht klein. Sie werden zunächst in eine Öffnung im Boden gekippt und von dort in einen Zwischenbehälter angesaugt.
Der Röstvorgang wird computergesteuert mit heißer Luft durchgeführt. Dabei verlieren die Bohnen 30% ihres Gewichtes, gewinnen aber 60% an Volumen.
Nach dem Rösten werden Steinchen und Bohnen minderer Qualität über eine Zentrifuge aussortiert. Dann werden sie wiederum mittels sanftem Airstream (Luftstrom) zum Reifen ins Silo gesendet. Der Airstream ist nötig, weil die Bohnen nach dem Rösten sehr zerbrechlich sind.
Im Silo müssen sie nach dem Rösten, je nach Sorte, um die 3 Monate reifen. Danach werden sie auf einem Laufband gemischt, indem – computergesteuert – aus den verschiedenen Silos die entsprechende Menge der verschiedenen Kaffeesorten auf das Laufband abgelassen wird.
Vom Laufband geht es dann direkt in die Verpackungsgeräte.
Di Giampaolo liefern ihren Caffè in ganz Italien aus und sogar ins Ausland. Aber natürlich sieht man ihn hier besonders häufig, so wie letztens in Portonovo, wo uns nach dem Essen eine Spezialröstung angeboten wurde.
Nach der Führung bekamen wir natürlich noch einen frisch aufgebrühten Caffè im Showroom, wo sie mehrere Maschinen in Betrieb haben, bei denen man die verschiedenen Sorten probieren kann.
Dass die Italiener nur Espresso trinken, ist übrigens eine Legende, denn wenn man mit 5 Leuten unterwegs ist, so scheint es mir, werden auch 5 verschiedene Caffè-Spezialitäten bestellt. Um nur einige zu nennen: Der Espresso (hier Caffè genannt) sowieso, von dem es die Varianten Ristretto (weniger Flüssigkeit bei gleicher Menge Kaffee) und Lungo (mehr Flüssigkeit bei gleicher Menge Kaffee) gibt, während ein Doppio einfach zwei Caffè (Espressi) in einer Tasse sind. Dann gibt es noch die Varianten mit Milch: Der Macchiato hat ein paar Tropfen Milch drin, der Schiumato hat einen Milchschaum wie beim Cappuccino, aber nicht so viel davon. Schließlich gibt es im Sommer noch Caffè Freddo (kalter Kaffee) und Shakerato (Caffè mit Eiswürfeln im Mixer zu einem Shake geschüttelt) und Caffès, die mit Kakao, Ginseng oder Nussgeschmack versehen sind. Ein Caffè, der mit viel Wasser gestreckt ist und an unseren Filterkaffee erinnert, nennt man hier Caffè Americano, den gibt es hauptsächlich in den touristischen Gegenden. Latte Macchiato (zu deutsch „befleckte Milch“, ist ein großes Glas leicht aufgeschäumter Milch mit einem Schuss Espresso drin) gibts selten und wenn, dann eher für die Kinder und Cappuccino wird hauptsächlich morgens zum Frühstück getrunken. Nach dem Essen, zur Verdauung, nimmt man schon mal einen Caffè Corretto (wörtlich: korrigierter Kaffee), dessen „Korrektur“ in einem Schuss Schnaps oder Likör besteht. Hier in den Marken machen sie ihn oft mit einem Schuss des legendären Varnelli-Anisliköres.
Welches ist Euere Lieblings-Caffè-Spezialität?
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