Ecco Le Marche

Während der diesjährigen FAI-Herbsttage (ähnlich wie der Tag des offenen Denkmals in Deutschland) besuchte Bloggerfreundin Isabelle das kleine Städtchen Cerreto d’Esi.

Wir kommen auch immer mal wieder an dem Cerreto d’Esi vorbei und haben schon einmal bei einer Radtour dort Pause gemacht. Jedes Mal fasziniert uns die ausladende, erhöhte Brücke, die zum Stadttor führt. Ein echter Blickfang, findet auch Isabelle!

Entlang der Stadtmauer oder weiter hinten in der Nähe des kleinen Stationshäuschens könnt Ihr einfach und kostenlos parken, sagt sie.

Als Isabelle die Brücke betritt, kann sie den tiefen Graben sehen, über den die Zugbrücke einst verlief. Heutzutage dient ein Teil des Grabens wohl als Freilichtbühne für Veranstaltungen.

Die Porta Giustinianea, durch die sie eintritt, ist immer noch der Haupteingang zur Altstadt. Man landet dann direkt auf dem Hauptplatz.

Hier beginnt auch die Führung durch Cerreto d’Esi, bei der die Teilnehmer:innen erfahren, dass der Delfinbrunnen auf einem der vier Wasserreservoirs der Stadt steht. Ein weiteres Reservoir soll sich in der Nähe der kleinen Kirche befinden. Die anderen zwei sind bislang noch nicht wiederentdeckt worden.

Geschichte des Ortes Cerreto d’Esi

Isabelle hört, dass die erste schriftliche Erwähnung von Cerretum, wie Cerreto d’Esi früher hieß, auf das Jahr 1090 zurückging. Wahrscheinlich gründeten die Bewohner des nahe gelegenen römischen Tuficum hier auf dieser Anhöhe eine Siedlung. So fanden sie auf der Flucht vor den Langobarden einen sicheren Ort. Cerretum bezieht sich auf cerro oder quercus cerrus: die Moos-Eiche oder türkische Eiche, die einst in der Gegend wuchs.

Belisario Turm

Der Belisario-Turm stammt höchstwahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert, genau wie das Tor. Während der FAI-Tage werden die Führungen normalerweise von Schülern der Sekundarstufe durchgeführt. Sie lernen dabei etwas über Geschichte und Architektur ihrer Gegend. So auch an diesem FAI-Herbsttag.

Der Turm erhielt seinen Namen von Belisario, einem bedeutendem byzantinischen General aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. Man ging früher davon aus, dass Belisario diese Siedlung gründete. Inzwischen weiß man jedoch, dass sich dieser Belisario nie hier aufgehalten hat. Das Gebäude ist stolze 25 Meter hoch und sein genaues Entstehungsdatum ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass der letzte, obere Teil, im 19. Jahrhundert hinzugefügt wurde. Kurioserweise ist der Turm außen rund und innen quadratisch.

Auf dem Platz befindet sich eine historische Apotheke, die heute als Tourismusbüro genutzt wird und zudem ein kleines Museum für religiöse Gegenstände beherbergt.

Antike Apotheke

Eine sehr freundliche Dame empfängt die Gruppe und erzählt ein wenig über die alte Apotheke: Bis zum 19. Jahrhundert waren es vor allem Mönche und Nonnen, die hier Kräuter und Naturmedizin verkauften. Deshalb fanden sich in der Apotheke auch Relikte aus alten Kirchen. Ab 1800 etablierten sich dann Ärzte und es wurden richtige Medikamente eingeführt, von denen noch einige Exemplare in den Vitrinen zu sehen sind.

Isabelle erblickt eine Cartagloria (auf Deutsch Kanon-Tafel), das ist ein reich verzierter Halter, auf dem immer der Teil des Evangeliums aufgeschlagen wurde, den der Priester am jeweiligen Tag lesen würde. In einem weiteren Raum gibt es ein bemerkenswertes Kreuz aus dem 15. Jahrhundert, das früher Reliquien enthielt.

Kreuz mit Einlassungen für Reliquien

Ercole Ramazzoni und Lorenzo Lotto

Die nette Dame erklärt schließlich noch die Gemälde an den Wänden: Die Verkündigung von Luca di Bartolomeo delle Fibbie aus dem 15./16. Jahrhundert und die Madonna mit dem Kind im Gloria, zwischen Engeln, dem Erzengel Michael und dem hl. Antonius Abt. Es wurde von Ercole Ramazzoni geschaffen, einem Schüler Lorenzo Lottos. Lorenzo Lotto, Zeitgenosse Raffaels, war einer der berühmtesten Maler der Hochrenaissance. Ihr könnt seinen Werken an einigen Orten der Marken begegnen. Ercole Ramazzoni malte im Stil von Perugino und Raffael.

Die Ausstellungsräume erweisen sich allerdings als sehr klein und nicht ideal, um dort zu fotografieren, zumal sich die nächste Gruppe schon angekündigt hat und drängt. Wer daher die ganze Ausstellung sehen will, kann zu folgenden Zeiten dort vorbeikommen: Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag, jeweils von 10 bis 12 Uhr.
Am Ende gibt es von der netten Frau noch ein schönes Heft mit ausführlichen Erklärungen zu allen ausgestellten Kunstwerken.

Auf die Gruppe von Isabelle warten derweil schon die nächsten Schüler, um über die Santa Maria Chiesa della Piazza und die Via San Lorenzo zum Altersheim zu gehen: es handelt sich um eine alte Villa, die im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Funktionen erfüllt hat.

Römerstrasse Via Tribbio

Schließlich erreicht die Gruppe die Via Tribbio, eine sehr wichtige Straße, die schon bei den Römern eine Kreuzung von 3 Straßen war. Hergeleitet vom lateinischen Trivium / Trivio: Zusammentreffen von 3 Straßen.

Erdbebenschäden und Restaurierung

Beim Bummeln durch Cerreto d’Esi fällt ihnen auf, dass immer noch viele Häuser leer stehen, was wohl auf das Erdbeben von 2016 zurückzuführen ist. Denn erst jetzt wurden die Mittel für den Wiederaufbau freigegeben. Daher auch die zahlreichen Gerüste an den Gebäuden. In der Zwischenzeit versuchen einige der etwa 3500 Einwohner, ihren Ort ansprechend zu dekorieren. Hier einige Eindrücke:

Auch den zahlreichen Vierbeinern scheint Cerreto D’Esi zu gefallen:

Alte Bäckerei

In der Via Roma besichtigen sie ein Gebäude, bei dem sie schon von außen erkennen, dass der Eingang einmal anders war.

Es handelt sich um die ehemalige Bäckerei der Familie Tacconi, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Brasilien ausgewandert war, aber bald wieder zurückkehrte, da sie sich dort mit ihren Backwaren nicht etablieren konnten. Isabelle besichtigt den Raum, in dem der Ofen zuerst gestanden hatte, zusammen mit einem schönen Foto, das an die alten Zeiten erinnert. Dann erblickt sie die nächsten Öfen, die Holzpaletten, den alten Mixer und andere Utensilien. Irgendwann in den 1980er Jahren hörte die Familie auf und hinterließ dieses schöne Zeugnis einer Bäckerei im Wandel der Zeit.

Es hängen auch noch die alten Rezepte aus. Derweil ein moderner Bäcker der Gruppe eine Focaccia kredenzt: welch ein Leckerbissen!

Umkämpftes Cerreto d’Esi

Schließlich landen sie auf der Rückseite der alten Stadtmauer, wo einst das zweite Tor stand, das leider nicht mehr existiert. Von dort aus erhalten sie einen Blick auf den Bahnhof und die Hügel, auf denen die Fabrianer (Einwohner von Fabriano) einst heftig gegen die von Cerreto kämpften. Immer wieder verloren die Cerretoer dadurch ihre Unabhängigkeit und wurden dann wieder Teil von Fabriano. Im Jahr 1859 durfte sich Cerreto dann endlich eine eigenständige Gemeinde nennen und d’Esi hinzufügen, da es in der Nähe der Quelle des Flusses Esino liegt.

Die alte Moos-Eiche

Hier sehen sie auch das älteste Cerreto, also die älteste Moos-Eiche, der Gemeinde. Deren genaues Alter ist nicht bekannt. Aber für den Fall, dass sie einmal absterben sollte, wurde noch ein zweites, jüngeres Exemplar in den Graben am Eingang der Stadt gepflanzt.

Die neue Moos-Eiche

Collegiata di Santa Maria Assunta

Weiter geht es entlang der Stadtmauer nach links bis zu einem Platz, auf dem die Collegiata di Santa Maria Assunta aus dem 13. Jahrhundert stand. Einen Teil der ursprünglichen Kirche kann man heute noch an der Seite sehen.

Die Front-Fassade selbst wurde bei der Restaurierung nach dem Erdbeben von 1997 in seltsamen Farben bemalt.

Die Kirche wurde im 17./18. Jahrhundert wieder aufgebaut und vergrößert. Das Innere wirkt mit hellen und schönen Farben überraschend freundlich und ausgeglichen. Ein älterer Freiwilliger gibt der Gruppe einige Erläuterungen, zu seinem großen Bedauern aber nur kurz, da die nächste Gruppe bereits draußen wartet.

Zu sehen gibt es noch beeindruckende Statuen der 4 Evangelisten aus Stuck sowie eine schöne Statue der Maria über dem Altar, die Jesus stillt.

Hier endet die Führung. „Sehr interessant und wieder viel gelernt“, sagt Isabelle im Nachhinein. Zwar sind am Sonntag die zwei Bars an der Außenseite der Stadtmauern geschlossen, aber wenn man unter der Woche kommt, kann man dort auf jeden Fall noch einen Caffè oder Aperitif nehmen.

Weinfest und Verdicchio di Matelica

Cerreto d’Esi ist auch berühmt für ihr traditionelles Weinfest des Verdicchio di Matelica, das es schon sehr lange gibt. Es ist bereits im September, gefolgt von dem in Arcevia und schließlich dem größten und ältesten marchigianischen Weinfest in Cupramontana.
Im Gegensatz zu den Weinbergen des Verdicchio dei Castelli di Jesi werden die Reben des Verdicchio di Matelica nicht durch das Meer beeinflusst. Daher schmeckt dieser Wein viel kräftiger und mineralischer.


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