Wie wäre es mit einem Theaterabend, einem Konzert oder einer Ballettvorführung? Am Besten in einem prachtvollen historischen Theater. Und dann in einer schönen Loge sitzen. Das klingt nach einem ganz besonderen Abend!
Zum Glück haben wir in der Region Marken mehr als 100 Theater, über die wir in einem früheren Artikel schon geschrieben haben!
Zusammen mit Isabelle und meiner Mutter meldeten wir uns dieses Mal für ein Führung hinter die Kulissen des Pergolesi Theaters in Jesi an.
Unten im Foyer erläuterte uns unsere Gastgeberin die Geschichte dieses Theaters: Es wurde gebaut, weil man fand, dass das alte, hölzerne Leone Theater, das aus dem Jahre 1731 stammte, nicht mehr ganz zeitgemäß, unbequem und auch nicht mehr ganz sicher war (und tatsächlich brannte das Leone Theater 1792 ab). So wurde 1790 mit dem Bau des Teatro Concordia, dem heutigen Teatro Pergolesi, begonnen.
54 Adlige der Gegend beschlossen, Miteigentümer zu werden und sich Logen im neuen Theater zu kaufen. Da Adelige sonst eher miteinander stritten, wurde das neue Theater hoffnungsvoll Teatro della Concordia (Solidarität) genannt. Zwei Architekten, Francesco Maria Ciaraffoni und Francesco Cosimo Cassiano Morelli, wurden mit dem Bau beauftragt. Zu Karneval 1798 wurde das Theater schließlich eröffnet, allerdings dann doch ohne die Adeligen: es war die napoleonische Zeit und da war der Adel nicht mehr willkommen.
Nicht ganz 100 Jahre später, im Jahre 1883 wurde das Concordia zu Ehren des berühmten Komponisten aus Jesi, Giovanni Battista Pergolesi, in Theater Pergolesi umbenannt.
Im Foyer trafen wir auch auf das Bild eines weiteren berühmten Komponisten aus den Marken: Gaspare Luigi Pacifico Spontini (1774 – 1851) aus Maiolati. Spontini war einer der bekanntesten Komponisten seiner Zeit. Er wurde zum Kammerkomponisten am Hof Napoleons ernannt und wechselte später als Hofkomponist an den preußischen Hof Friedrich Wilhelm III. nach Berlin, wo er die Musik zur Preußen-Hymne Borussia schrieb. Später dann sollen auch Wagner und Berlioz zu seinen großen Bewunderern gehören.
Wir folgten unserer Theaterführerin zum Plateau (Parterre). Beim Betreten waren wir beeindruckt: so schöne Logen rings herum und wunderbar bemalte Decken. Der Saal, heute mit Sitzen ausgestattet, war ursprünglich für das einfache Volk gedacht, und die mussten sich die Aufführungen im Stehen ansehen (man denke dabei an mehrstündige Opern!).
Die Deckenmalereien und Gemälde wurden von verschiedenen Künstlern geschaffen, darunter Felice Giani und Gaetano Bertolani mit Szenen aus dem Leben des griechischen Gottes Apollo (unter anderem dem Gott der Künste) und mit Bildern von typischen Gesichtsausdrücken, die auf der Bühne verwendet wurden. Von Giuseppe Valesi stammen die schönen Dekorationen über der Bühne mit Uhr und Zeitsymbolik.
1856 kam dann das Siparium dazu, der hintere Vorhang der Bühne. Nur dass dieses hier nicht aus Stoff, sondern aus Holzplatten bestand, die beim Auf- und Herunterziehen ständig zusammen- und auseinander gefalten wurden, so dass es dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel. Wir konnten nur den oberen Teil im Original sehen, allerdings zeigten sie uns ein Bild des vollständigen Original-Sipariums: Hierauf war ein monumentaler Einzug Friedrich II. in Jesi dargestellt, der allerdings der puren Fantasie der Bürger von Jesi entsprang: Friedrich II. wurde zwar in Jesi quasi auf der Durchreise geboren, kam aber nie wieder hierhin zurück. Dennoch bleibt er natürlich immer der große Sohn der Stadt.
Der frühere Ridotto-Saal, in den sich die Zuschauer zurückziehen konnten, weil die Aufführungen oft stundenlang dauerten, wird heute als Raum für Vorträge genutzt. Hier haben sie auch ein kleines Pergolesi-Museum eingerichtet: Der Komponist Giovanni Battista Pergolesi wurde 1710 in Jesi geboren und starb im jungen Alter von nur 26 Jahren in Pozzuoli bei Neapel an Tuberkulose. Seine bekanntesten Werke sind das Stabat Mater und die Farce Serva Padrone. Nach seinem frühen Tod, der ähnlich wie später auch bei Mozart zu romantischer Verehrung führte, erfuhr sein Werk eine enorme Beachtung in Europa.
Ein Stockwerk weiter waren wir überrascht: Wir hatten uns die Umkleiden der Künstler mit vielen Spiegeln und Trara vorgestellt, aber sie waren eher klein und schlicht.
Danach durften wir in die Nähwerkstatt, wo die Kostüme noch selbst hergestellt wurden.
Im obersten Stockwerk die Garderoben der Hauptdarsteller. Auch diese nüchtern, aber immerhin mit einem schönen Blick auf die Piazza!
Danach durften wir hinter die Kulissen schauen. Ein Techniker kam und erläuterte uns die Bühne: Die Beleuchtung und die Vorhänge werden noch analog von Hand betrieben, was eine Menge Kletterei erfordert. Zwar gibt es neuerdings auch eine computergesteuerte Beleuchtung, aber die Bühnenbilder werden immer noch mit Seilen und Muskelkraft bedient.
Über ein grosses Fenster mit aussen angebrachtem Kran können größere Bühnendekorationen von der Straße aus direkt auf die Bühne bugsiert werden.
Es war spannend, auf der Bühne mit ihrem Holzboden aus dem Jahr 1980 zu stehen und das Theater aus der Perspektive der Schauspieler zu sehen. Unsere Führerin erzählte uns dabei einige Beispiele über den Aberglauben von Schauspielern:
- Niemals Purpur tragen, denn der wurde früher von den Geistlichen in der Fastenzeit getragen, einer Zeit, in der keine Theaterstücke aufgeführt werden durften und in der die Theater keine Einnahmen hatten.
- Wenn einem während der Proben das Skript auf den Boden fällt, bedeutet dies das Scheitern des Stückes. Um dem entgegen zu wirken, muss man dreimal auf die Stelle schlagen, auf die das Skript gefallen ist.
- Pfeifen sollte man tunlichst unterlassen, denn diejenigen, die hinter den Kulissen die Bühnenbilder und die Beleuchtung bewegen, verständigen sich durch Pfeif-Signale. Pfeifende Schauspieler- oder Schauspielerinnen könnten hier für einige Verwirrung sorgen!
- Was aber Glück bringen soll und was wir am Ende alle zusammen auf der Bühne machen sollten, war, uns in einen Kreis zu stellen, bei den Händen zu nehmen und dreimal laut Merda, merda, merda (Scheiße, Scheiße, Scheiße) zu rufen. Das würden die Theaterleute vor einem Theaterstück auch so machen. Der Hintergrund: früher kamen die wohlhabenden Zuschauer per Kutsche zum Theater. Je mehr Kutschen, desto mehr Zuschauer, desto mehr Ruhm und Geld brachte die Vorstellung. Aber eben auch mehr (Pferde-)scheiße der Kutschpferde vor dem Theater.
Der magische Moment war aber, als der Techniker für uns den Vorhang öffnete und wir für einen Moment spürten, wie sich die Schauspieler fühlen, wenn die Aufführung beginnt. Sehr beeindruckend, von der Bühne aus in den Saal zu sehen, auch wenn er bei uns ohne Zuschauer war.
Und damit war unsere schöne, sehr kurzweilige Tour zu Ende. Wer sich selbst ein Bild vom Theater machen will, kann über die Webseite des Theaters eine Aufführung buchen. Oder auf der Seite des Fremdenverkehrsbüros von Jesi schauen, wann die nächsten Führungen im Theater stattfinden.
Ein kleiner kulinarischer Tipp, der gut ins Thema passt: wer nachher noch etwas essen möchte, dem sei das Restaurant „Dietro Le Quinte“ (zu deutsch „Hinter den Kulissen“ – sic!) empfohlen, das sich direkt neben dem Theater befindet.
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