Ecco Le Marche

Mondavio

Laura hatte uns schon von einem ihrer Lieblingsdörfer, Mondavio, erzählt, in dem es eine mächtige mittelalterliche Festung gibt. Dieses Mal sind wir jedoch nicht in alten Waffen, sondern in Sachen Käse dorthin unterwegs: In den ausgedehnten Grottengewölben unter dem Ortszentrum hat sich eine junge Frau auf traditionelle Käsereifung und -veredlung spezialisiert.

Die Cantina und Gewölbe von Claudia Ridolfo

In einer kleinen Gruppe von Freunden treffen wir Claudia Ridolfo am Eingang ihrer Cantina mitten im Ortszentrum von Mondavio.

Hier hat sie ihre Wohnung, ihre Lagerräume und ihre unterirdische Grotte, wo der Käse seinen einzigartigen Geschmack erhält. Bevor wir eintreten, müssen wir aus Hygienegründen Überzieher über die Schuhe stülpen.

Claudias Eltern hatten eine Schaf- und Ziegenfarm, sodass sie von klein auf mit Milchbetrieb und Käseherstellung vertraut wurde. Nach ihrem Studium in Urbino ermutigte die Mutter sie, einen eigenen Betrieb zu gründen und sich auf Käseveredlung zu spezialisieren. Eineinhalb Jahre brauchte sie, um die nötigen Genehmigungen einzuholen! Dann eröffnete sie im Jahr 2015 ihr kleines Unternehmen.

Wir treten nacheinander in den kleinen Raum, der mit Käsearomen erfüllt ist. Claudia erzählt uns, was genau sie hier macht:

Käse-Veredlung

Ihre Pecorino-Käse bestehen meist aus reiner Schafmilch oder aus einem Gemisch aus Schaf- und Kuhmilch (70/30). Die frisch geschöpften Rohmilch-Käse macht sie aber nicht selber, sondern kauft sie bei umliegenden Schäfern ein. Die Schafe leben hauptsächlich draußen und ernähren sich von dem, was sie finden.

Ihre Cantina und der Keller sind für ihr Vorhaben ideal. Hier behandelt sie den Käse so, wie es traditionell seit Jahrhunderten gemacht wird. Das war früher wichtig, als es noch keine Kühlschränke gab: Die Käse, die im Frühjahr und Frühsommer gemacht wurden, sollten ja bis zum Winter halten. Die Lagerung in Grotten und Höhlen half bei der Haltbarmachung, genauso wie die Nutzung von Kräutern. Zusätzlich vakuumiert sie die Käse nach der Reifung, denn das macht sie haltbarer, verhindert Schimmelbildung und lässt die Aromen besser einziehen.

Ihr Hauptgeschäft macht sie vor Weihnachten, wenn sie über ihren Online-Shop konfektionierte Geschenkkartons innerhalb ganz Italiens versendet. Sie verkauft aber auch an Bars und Gastronomieunternehmen, die ihre qualitativ hochwertigen Käse schätzen.

Als wir ankommen, liegen nur noch wenige Exemplare in den Regalen: Sie hat von ihren 2000-3000 Käselaiben vom letzten Jahr das meiste über Weihnachten verkauft. Wegen des trockenen Winters gibt es noch nicht genug Schafmilch für neue Käse. Das ist ihr Problem und das der Bauern, die Freilandhaltung betreiben. In industriellen Milchbetrieben dagegen gibt es diese Versorgungslücke nicht, denn die halten die Tiere in Ställen und verfüttern mangime, also Kraftfutter.

So sind ihre Käse aber alle bio und lokal, aber nicht vegetarisch: Zur Käseherstellung wird das Enzym Lab verwendet, das aus Kälbermägen stammt. Und unter der Kruste des Pfefferkäses ist eine Schicht Schmalz verarbeitet.

Pfeffer-Käse

Die Grotte – das unterirdische Gewölbe

Nun sind wir aber neugierig auf die Grotte, wo der Haupt-Reifungsprozess stattfindet. Nacheinander steigen wir die schmale Treppe hinunter in das Gemäuer, das aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammt und seitdem wenig verändert wurde. Es ist Teil eines umfassenden Tunnelsystems unter dem Zentrum, das den Einwohnern als Lagerstätte, im Bedrohungsfall aber auch als Fluchtweg diente.

Unsere Freunde, die Architekten sind, vermuten sogar, dass dieser Teil des Grottensystems vielleicht einst eine kleine unterirdische Kapelle war: denn die Gänge sind wie ein Doppelkreuz angelegt, es gibt kleine Nischen und am Ende befindet sich eine Apsis. Heute sind die Verbindungen zum Rest des Grottensystems zugemauert oder zugestellt.

Die Grotte ist im Winter wärmer als draußen und im Sommer kühler: jetzt im April waren es 16 Grad, im Sommer können es bis zu 20 Grad werden, aber eben nicht wärmer.

Spannend sind die herumstehenden Gefäße aus Ton (sogenannte Orci) und Holz. Sie sind das Geheimnis der traditionellen Käsereifung: Die Käse werden in Schichten, mit Walnuss- und Weinblättern dazwischen, in diesen Gefäßen für circa 15 bis 20 Tage gelagert. Dadurch erhalten sie ihren typischen Grottenkäse-Geschmack und bleiben haltbar. So wurde es in der Region Marken seit dem 15./16. Jahrhundert gemacht.

Höhlen-Käse Degustation

Nach soviel Informationen wurde es Zeit für die Degustation! Die fand wieder oben in der Cantina statt. Zu Käse und Brot kredenzte Claudia einen sehr aromatischen Sangiovese-Rotwein der Azienda Terracruda aus dem nahegelegenen Ort Fratte Rosa.

Die Käse, die wir probieren dürfen, sind:

  • Crosta Vino – beim Reifen regelmäßig mit Rotwein übergossen und mit einer leichten Säure.
  • Crosta Pepe – mit Schweineschmalz und schwarzem Pfeffer pikant ummantelt.
  • Classico – sehr lange gereifter, kräftiger Pecorino, serviert mit Safranhonig aus der Gegend.
  • Ipogeo – eingewickelt in ein seit Generationen in den Marken verwendetes Kraut. Claudia sagt, das Kraut sei geheim. Isabelle vermutet, es ist die allgegenwärtige Mentuccia (ein Art Minze), während ich denke, es ist Ortica (Brennessel). Was meint Ihr?

Die Rinde können wir mitessen – sie ist besonders aromatisch. Alles sehr lecker und wir merken, dass wir verschiedene Vorlieben haben. Dabei ist kein Käse gleich, sagt Claudia, und das unterscheide ihre von den immer gleich schmeckenden Produkten aus industrieller Fertigung: Es hängt von der Reifezeit ab, von dem, was die Schafe vorher gefuttert haben und den aktuellen Luftfeuchte- und Temperaturbedingungen in der Grotte.

Noch einen kleinen Café in der sympathischen Bar um die Ecke und wir treten zufrieden und mit einigen erworbenen Pecorino-Stücken im Gepäck den Heimweg an.

Tipps zum Käse:

Eine Führung – auch auf Englisch – könnt Ihr mit oder ohne Degustation buchen. Den Kontakt (E-mail, WhatsApp, Telefon) findet Ihr auf der Webseite von Claudia.

Die Käse kosten zur Zeit 35 EUR pro Kilo. Für handwerklich gefertigten nicht zu teuer (ein Supermarkt-Pecorino kostet gerne mal 29 EUR pro Kilo), aber natürlich etwas für besondere Anlässe. Claudia schneidet uns Stücke nach Wunsch und vakuumiert sie für uns.

Um einen lebhaften Eindruck von Claudias Käsemanufaktur zu bekommen, könnt Ihr Euch auch eines ihrer YouTube-Videos ansehen (nur auf Italienisch):


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