Jetzt im Sommer häufen sich wieder die Feste in den Marken und dieses Jahr sind auch wir wieder dabei: Jedes Dorf hat mindestens eine Feier, meist von den Einwohnern und ihren Vereinen liebevoll organisiert. Sie heißen Sagra, Festa, Fiera oder Palio und finden zumeist am Wochenende statt. Einige haben eine lange Tradition, wie die Sagra dell’Uva in Cupramontana (Weinfest seit 1928!) oder das Verdicchio-Wein-Fest in Staffolo, das 2021 seine 56ste (!) Auflage hatte. Andere gibt es erst seit ein paar Jahren und einige sind auch wieder verschwunden, weil es keine Helfer gab oder weil die Leute inzwischen ein anderes Fest ausrichten.
Wir waren letztes Wochenende auf dem wunderbaren Verdicchio- und Jazzfest in Montecarotto, das es auch schon seit 33 Jahren gibt.
Was für Feste gibt es?
Die Feste sind immer einem Thema gewidmet. So gibt es die Patronats-Feste, bei denen der Schutzpatron des Dorfes geehrt wird, wie die Festa di Sant’Eleuterio in Cupramontana oder die Festa di San Ciriaco in Ancona, oder solche, bei denen alte, meist bäuerliche Traditionen gefeiert werden, wie die Feste della Trebbiatura (Dreschfeste).
Andere feiern ihre typischen Produkte der Gegend, wie die Sagra del Carciofo in Montelupone (Artichockenfest) oder die Festa del Vi‘ de Visciola (Kirschweinfest), über die wir schon berichtet haben. In Pergola, Amandola, Sant’Angelo in Vado feiern sie zum Beispiel Trüffelfeste oder haben eine Trüffelmesse (Fiera). Wieder in anderen Orten feiern sie Crescia (flaches Brot aus Maismehl), Salsicce (Fenchelwürste), Pizza, Gelato, Coniglio (Kaninchen), Asparagi (Spargel), Polenta, Maccheroncini (Nudeln), Olive all’Ascolana (gefüllte Oliven), Quaglie (Wachteln), Lumache (Schnecken), Funghi Porcini (Steinpilze), Pesce (Fisch) und so weiter und so fort. Im Herbst gibt es häufig Feste, auf denen Kastanien und Pilze verkauft werden, die heißen dann etwa Sapori d’Autumno (Herbst-Aromen).
Wir waren vor ein paar Jahren echt beeindruckt von dem großen Polenta-Kessel, der beim Polenta-Fest in Apiro mitten auf dem Platz stand:
Andere lassen historische Zeiten aufleben und nennen sich Rievocazione, wie das Römerfest in Fano, das Fischerfest Festa della Tratta in Marotta, die Cavalcata dell’Assunta in Fermo, der Palio di San Floriano in Jesi oder die Mittelalterfeste wie in Poggio Cupro oder Offagna. Hier kleiden sich die Einwohner mit selbst genähten oder im Theater ausgeliehenen Kostümen und dekorieren den Ort liebevoll gemäß dem Motto.
Sehr beliebt ist der Summer Jamboree, bei dem ganz Senigallia als Hillibillies rumläuft mit Petticoat und Pferdeschwanz und natürlich entsprechender Musik.
Auch moderne Themen haben Einzug gehalten, und so gibt es Halloween-Feste, Hamburger- und Bierfeste, Cannabis-Feste, Sangria-Feste oder Mojito-Cocktail-Feste.
Sehr spät im Jahr gibt es noch Martins-Feste (San Marti di Mergo) oder Olivenölfeste (in Senigallia und Cartoceto), die natürlich sehr vom Wetter abhängen. Denn alle Feste finden draußen statt!
Was gibt es auf diesen Festen?
Stand gastronomici (Essensbuden)
Kein Fest ohne Essensstände, oft mit langen Tischen für die Gäste, wo Spezialitäten der Gegend und guter Wein kredenzt werden. Meist muss man vorher an einer Kasse zahlen und die Bestellung aufgeben. Manchmal, gerade bei gemeinsamen Mittagessen, muss man vorher telefonisch reservieren. Über die Einnahmen finanzieren sich oft die lokalen Vereine.
Musik und Vorführungen
Auf vielen Festen treten Bands verschiedener Musikrichtungen (Italo, Blues, Jazz, Cover, Rock’n’Roll, Country) auf. Daneben gibt es hin- und an Darbietungen lokaler Folkloregruppen, die zum Beispiel mit Akkordeon lokale, derb-lustige Lieder vortragen oder Tänzer:innen beim traditionellen Saltarello-Tanz begleiten. Oder den lokalen Spielmannszug. Bei einigen Festen gibt es Darbietungen von Feuerschluckern, Bauchtänzern oder Clowns.
Messe oder Prozession
Vor allem die Patronatsfeste beeinhalten auch eine Messe oder sogar eine Prozession. Die finden tagsüber statt, während die Musik- und Essensstände meist abends sind.
Umzug
Einige Feste haben Umzüge mit selbst gebauten Motivwagen. Die sind in etwa wie die Karnevalswagen in rheinischen Gefilden, normalerweise aus Pappmaché und von den jungen Leuten der Orte selbst gebaut, wie beim Karneval in Fano oder der Festa dell’Uva in Cupramontana.
Wettbewerbe
Bei einigen Festen gibt es Wettbewerbe, wo lokale Gruppen gegeneinander antreten, zum Beispiel im Bogenschießen, Fassrollen oder antiken Spielen, wie der Disfida del Bracciale in Treia. Die Wettbewerbe heißen Palio, Disfida, Gara oder Giostra, Manche bieten auch Briscola Turniere an, das italienische Kartenspiel, das hier oft in den Kneipen gespielt wird und eine ernste Sache ist.
Verkaufsstände
Nicht auf allen, aber auf einigen Festen gibt es auch Verkaufsstände: von Kirmesbuden mit Lakritz oder Schokolade, über lokale Produkte bis hin zu normalen food und non-food Marktständen ist alles dabei. Bei der Festa di San Settimio in Jesi ist die Innenstadt zum Beispiel voll mit Verkaufsständen aller Art.
Tombola – Pesca
Gerne werden auch Tombolas (Pesca genannt) angeboten, die üblicherweise einem guten Zweck dienen und wo Sachen verlost werden, die von den lokalen Unternehmen gespendet wurden. Ich habe schon Bleistifte, Cola-Gläser, einen Flaschenöffner, eine Zwille und eine Flasche Wein gewonnen. Das Ferkel, das es auf dem San Michele Fest bei uns zu gewinnen gab, habe ich zum Glück nicht gewonnen – was hätte ich damit wohl gemacht? Aber eine Freundin hat tatsächlich bei uns im Dorf bei der Lotterie eine Mittelmeerkreuzfahrt gewonnen!
Parken
Die kleinen Orte stellen in der Regel Parkplätze zur Verfügung, meistens kostenlos. Das kann eine abgesperrte Wiese oder ein Fußballfeld sein. Da, wo direkt im Ort kein Platz ist, wird auch schon mal ein Parkplatz außerhalb mit kostenlosen Shuttlebussen angeboten, die einen ins Zentrum bringen. Oder man parkt entlang der Zufahrtsstraßen zum Ort.
Wie erfahre ich von den Festen?
Manchmal werden die Feste erst ganz kurz vorher angekündigt und nur lokal beworben. Hier wo man sich informieren kann:
- auf Plakate achten, die in den Orten und Nachbarorten aushängen
- beim Fremdenverkehrsbüro des Ortes nachfragen, was in der Gegend anliegt
- wer in B&B, Hotel oder Ferienwohnung untergebracht ist, kann die Gastgeber fragen, die wissen meist, was es in ihrer Gegend an Festen gibt
- auf den Webseiten oder Facebook-Seiten entweder der Gemeinden oder des Pro-Loco (Vereine, die den Ort und lokalen Handel unterstützen) schauen
- es gibt Internet- und Facebookseiten über Feste, leider nur auf Italienisch, wo man nach Datum und Region oder Provinz suchen kann: viaggiesagre , marcheinfesta , restodelcarlino (Zeitung) , virgilio.it (gelbe Seiten) .
- wer nicht gerne im Internet sucht, für den gibt es in Zeitschriftenläden ein kleines Heft, dass sich corriere-proposte nennt, und das über Feste, aber auch über Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte, Märkte und andere Ereignisse berichtet. Mit-Bloggerin Isabelle sagt, das haben sie sich schon vor 20 Jahren immer mal wieder gekauft! Auch die haben eine Internetpräsenz, die ganz gut strukturiert ist. Ich habe mir das Heft für den ganzen Sommer 2022 geholt, es hat 3,00 EUR gekostet und ist wirklich klasse.
Wer sich dann ein Fest ausgesucht hat, kann wiederum im Internet nach diesem Fest suchen (Beispiel: Cavalcata dell’Assunta Fermo 2022) und findet zumindest ein paar Tage vorher das detaillierte Programm, wann was auf dem Fest passiert, wann die Essensstände öffnen, etc.
Wer besucht die Feste?
Bei den Festen handelt es sich in der Regel um lokale Events, die hauptsächlich von Einheimischen besucht werden. Aber natürlich sind Gäste immer willkommen. Einige wenige große Feste wie der Summer Jamboree in Senigallia oder die Sagra dell’Uva in Cupramontana ziehen regelmäßig Gäste aus weiterer Entfernung an.
Auf dem Verdicchio-Fest in Montecarotto saßen wir neben einem älteren Paar, das, wie sich herausstellte, aus Castelbellino kam, einem Ort, der maximal 15 Kilometer entfernt liegt. Aber sie taten so, als wären sie hier in der allerletzten Provinz gelandet, denn Castelbellino ist mit rund 5000 Einwohnern etwa 3x so groß wie das 1800 Einwohner zählende Montecarotto. Sie guckten sich pikiert ihr Essen an, als wäre das unglaublich exotisch, dabei waren es Salsicce-Würstchen, die es hier überall gibt, nur dass sie sie hier mit Brot statt mit einem Brötchen servierten. Da waren sie offensichtlich froh, dass mit uns zwei Deutschen noch andere „Fremde“ wie sie anwesend waren – jedenfalls unterhielten sie sich am Tisch nur mit uns!
0 Kommentare